Viel Betrieb rund um die Hausbar: Die Halbwelt fliegt auf – für die einen überraschend, für die anderen weniger. Bild: PD
Viel Betrieb rund um die Hausbar: Die Halbwelt fliegt auf – für die einen überraschend, für die anderen weniger. Bild: PD

Bühne

Der horizontale Weg zum Geld

Die Bühne 66 spielt die ironisch-doppelbödige Komödie «Alles im Garten» von Edward Albee.

Ja, was kann man denn so alles im Garten haben? Eine simple Frage, auf die Erfolgsautor Edward Albee mit einer bizarren Skandalgeschichte eine ziemlich wirblige Antwort weiss. Die Bühne 66 hat für diese Saison Albees Klassiker «Alles im Garten» ausgewählt. Der Autor ist Garant für erfolgreiche Produktionen, immerhin gehören auch «Wer hat Angst vor Virginia Woolf?» oder die «Zoogeschichte» zu seinen Welterfolgen. Die renommierte Schwyzer Laienbühne ist mit dieser Stückwahl der bisherigen Praxis treu geblieben, meistens anglo-amerikanische, gelegentlich auch französische, selten deutsche Bühnenliteratur in Dialekt zu spielen. «Alles im Garten» ist eine Komödie mit einem sehr glitschigen doppelten Boden. Sie startet harmlos-bieder mit einem entlarvenden Blick hinter die Fassade einer Vorstadt-Gesellschaft – geprägt von Geldsorgen, Lebenslügen, schönem Vorgaukeln, Prestigedenken und unerfüllten Wünschen, zum Beispiel nach einem doofen Gewächshaus im Garten oder nach besserem Gin. Die Handlung glitscht dann in der zweiten Szene hinein in eine zwielichtige Welt des einträglichen «Nebenerwerbs», in den schliesslich eine ganze Nachbarschaft verstrickt ist, wie sich herausstellt. Die Komödie wird so zu einer Gesellschafts-Satire, die sich an der Spannung zwischen Geld und Moral aufbaut. Mit Lügen wird diese «horizontale Scheinwelt» überdeckt, die am Schluss in einem dramatischen Finale gipfelt, eben im Garten.

 

Der Autor erwischt die Zuschauer

Der Autor hat das Stück fürs Boulevard-Theater geschrieben. Ohne zu moralisieren. Aber Eduard Albee hat in seine Spielanlage die Absicht versteckt, dass, wer in der Handlung mitgeht, applaudiert, sich empört, lacht oder sich amüsiert, eigentlich Teil der Protagonisten ist und ebenfalls «etwas im Garten» hat. Der Zuschauer erwischt sich tatsächlich bei der Selbsteinschätzung, wie stark er sich amüsiert oder empört. Das Stück ist 1967 uraufgeführt worden. Die Inszenierung folgt der Originalzeit und dem Originalort, das Stück spielt also in den 60er-Jahren in einer amerikanischen Vorstadt. Die einzige Ausnahme: Es taucht plötzlich ein Handy auf. Adalbert Spichtig hat die hochdeutsche Fassung in einen recht kräftigen Schwyzer Dialekt übersetzt. Immer wieder sorgen ironische Anmerkungen, zweideutige Nebenbemerkungen und doppelbödige Zitate für Farbe in der Inszenierung. Auch kommen immer mal wieder lokale Anspielungen vor. Die Spielanlage erschliesst sich dem Publikum nicht sofort. Die Einführung in die gesellschaftliche Ausgangslage braucht in der ersten Szene kurz Zeit und wirkt auch etwas gestelzt. Dann aber setzt die scharfe Wende ein, weil nun die dubiose Herkunft von all dem «horizontalen Geld» Fragen aufwirft, Ausreden provoziert, Konflikte verursacht. Damit nimmt die Handlung ziemlich Fahrt und bizarre Dramatik auf. Auf der Bühne agieren elf Figuren. Mit dem Ehepaar Richard (Bernd Pfeiffer) und Emma (Angi Scheuner) sind zwei eigentliche Hauptrollen tragend. Ihre Bühnenpräsenz ist hoch und die Entwicklung vom biederen Ehepaar zum aktiv mitwirkenden oder schwer betroffenen Teil dieser Halbwelt sehr eindrücklich. Eine starke Leistung. Sehr glaubhaft wirkt auch Frau de Fries (Barbara Inderbitzin), die mit ihrer eigenen Moral den Geschäften nachgeht. Eine spezielle Rolle kommt Jack (Kurt Feubli) zu, einem Freund der Familie. Er bewegt sich sozusagen zwischen den Welten und wendet sich in einer Art Rahmenhandlung auch immer wieder erklärend oder fragend ans Publikum. Tochter Vivienne (Medes Reichmuth) bestätigt einiges an jungem Talent und ist ein Versprechen für weitere Spieljahre. Schliesslich sind es in Nebenrollen noch die drei benachbarten Paare (Peter Reichmuth, Stephanie Gmünder, Markus Meyer, Sabrina Suter, Beda Schuler, Alessandra Belli), die farbenfroh und exaltiert Schwung in die Szenerie bringen und als Denkmal der Doppelmoral überzeugend wirken.

 

Jahreszeiten werden verschoben

Die Inszenierung kommt mit einem einzigen Bühnenbild (Renato Küttel) aus. Es hat etwas von Flowerpower, mit Blick hinaus in den berüchtigten Garten. Requisiten werden eher sparsam verwendet, ausser rund um die stark frequentierte Hausbar. Mit einer geschickten Idee wird auf der Handlungslinie der Zeitsprung vom Frühling in den Herbst bewältigt. Ganz clever, wie die Jahreszeiten im Bühnenbild regelrecht verschoben werden. Überhaupt hat die Regie von Ruth Feubli solide Arbeit geleistet, die Figuren sind überzeugend. Besonders fallen die Kostüme (Zita Breu) auf, die so ziemlich nostalgisch den 60er-Jahren entsprechen und sowohl bieder wie halbweltig wirken. Generell aber gilt erneut: Das Ensemble der Bühne 66 mit den Akteuren auf den Brettern und 19 weiteren Mitwirkenden in der Produktion legt erneut eine starke Leistung hin. Ein vergnüglicher Theaterabend ist garantiert.

 

Bote der Urschweiz / Josias Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

29.04.2024

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www.schwyzkultur.ch/41675Q