Kino-Betreiber Benno Camenzind freut sich darauf, der Bevölkerung ab Mitte Dezember drei zusätzliche Kino-Säle und eine grössere Filmauswahl präsentieren zu dürfen. Bild: Christoph Clavadetscher
Kino-Betreiber Benno Camenzind freut sich darauf, der Bevölkerung ab Mitte Dezember drei zusätzliche Kino-Säle und eine grössere Filmauswahl präsentieren zu dürfen. Bild: Christoph Clavadetscher

Film

«Ich bekomme sicher nie eine Schlechtwetterdepression»

Benno Camenzind baut das Kino Schwyz deutlich aus. Ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der die Branche zunehmend unter Druck gerät. Camenzind spricht über sein kniffliges Bauprojekt, das Kino-Business und die Auflagen aus Hollywood.

Mit Benno Camenzind sprach Christoph Clavadetscher


Christoph Clavadetscher: Mitten imHauptort Schwyz erweitern Sie derzeit Ihr Kino. Neben dem bestehenden Saal mit 61 Plätzen werden nebenan im ehemaligen «Mystery» drei weitere Säle mit total 95 Plätzen gebaut. Gibt es dafür überhaupt eine Nachfrage?


Benno Camenzind: Davon gehe ich stark aus, sonst würde ich es nicht machen. Die Besucherstatistiken zeigen, dass im Kanton Schwyz weniger Kino-Eintritte gezählt werden als in anderen Kantonen. Dies aber nicht, weil die Schwyzer nicht gerne ins Kino gehen, sondern weil sie aufgrund des mangelnden Angebotes auf Luzern oder Zug ausweichen. Das Potenzial ist also da.


Und wie wollen Sie das abschöpfen?


Indem das Kino Schwyz neu eine viel breitere und attraktivere Film-Auswahl bieten kann. Pro Woche erscheinen bis zu fünf neue Filme. Bisher musste ich mich immer für einen davon entscheiden. Das Aussortieren war für mich das Schlimmste an meinem Beruf. Neben allen Blockbustern und Familienfilmen können wir nun auch mehr Arthouse und Filme in Originalversionen zeigen sowie Nischen-Genre bespielen. Ich kann viel mehr ausprobieren und experimentieren.


Ist diese Erweiterung für das Kino Schwyz auch überlebenswichtig?


Ja. Der Betrieb muss wachsen und das Angebot vergrössern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Sonst sind wir bald weg vom Fenster. Dies auch, weil die Auflagen der Filmverleiher anspruchsvoll sind.


Was meinen Sie damit?


Die grossen Player auf dem Markt haben Mindestanforderungen bezüglich Anzahl Vorstellungen und Aufführungszeit, damit man Premiere-Filme überhaupt erhält. Und vom Ticketpreis nehmen die Verleiher mittlerweile bis zu 50 Prozent.


Ist Kino deswegen so teuer geworden?


Verglichen mit was? Mit dem Kaffee im Restaurant? Dem Bergbahnticket? Dem Konzertbesuch? Skifahren? Meiner Meinung nach ist Kino ein günstiges Freizeiterlebnis. Zwei Stunden Unterhaltung für unter 20 Franken. Das Kino darf einfach nicht mit Netflix oder Preisen in der Migros oder im Coop verglichen werden.


Netflix dürfte aber ein gefährlicher Konkurrent sein, nicht?


Das kann man nicht wirklich vergleichen. Netflix macht interessante Sachen. Doch Kino ist immer auch Erlebnis, Ausgang, Atmosphäre. Das kann Netflix nicht bieten.


Also muss sich die Einstellung der Kunden ändern?


Ich wünsche mir einfach, dass den Kinogängern vermehrt bewusst wird, dass ich mit dem Verkauf von Tickets, Getränken und Snacks die Löhne für mich und meine Angestellten, die Kinomiete und in Zukunft die Zinsen, Darlehen und Reinvestitionen zahlen muss. Da muss man viel Popcorn verkaufen, damit das funktioniert. Aber es kann funktionieren, wenn die Kunden mitmachen. Und daran glaube ich.


Lebt es sich also nicht so gut vom Kino- Business?


Ehrlich gesagt reicht es noch nicht ganz, um meine Familie mit drei Kindern durchzubringen. Aber meine Frau hilft mit und arbeitet Teilzeit. Mit der Erweiterung des Kinos will ich auch diese Situation etwas verbessern – reich werden wir damit aber nicht. Das ist aber auch gar nicht nötig.


Wie liefen die Geschäfte überhaupt in diesem Jahr? Bei schönem Wetter dürften die Leute weniger ins Kino strömen.


Ja, das ist so. 2018 war für die ganze Branche kein gutes Jahr, die Umsätze sind etwa 15 Prozent tiefer als im Vorjahr. Sagen wir es so: Ich bekomme sicher nie eine Schlechtwetterdepression.


Das Wetter ist das eine. Welche Faktoren spielen sonst noch eine Rolle?


Sicher die Filme. Sind gute Filme auf dem Markt, vor allem auch gute Schweizer Filme, kommen mehr Kunden. Und das Marketing für die Filme muss auch gut sein. Auch der beste Film wird nur geschaut, wenn die Bevölkerung mitbekommt, dass es ihn gibt.


Welche Filme laufen überhaupt am besten?


Das sind schon ganz klar die Hollywood-Blockbuster. Aber eben auch Schweizer Filme, kleinere Produktionen, kommen gut an.


Wie muss man sich das neue Kino Schwyz vorstellen?


Wie bisher – klein, aber fein. Es wird jetzt einfach viermal so klein und viermal so fein. Genau das Richtige für Schwyz. Ich glaube, das passt, und die Schwyzer werden es gerne haben und sicherlich nützen. Bei dem ganzen Projekt geht es ja auch um Lebensqualität in unserem Hauptort und der ganzen Region. Wir wollen Schwyz beleben.


Irgendwie ist es schwer vorstellbar, wie im «Mystery» mit seinen Halb-Etagen ein Kino entstehen kann.


(lacht) Es braucht tatsächlich viel Fantasie – aber die hatte ich schon immer. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Nächte ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe, wie man dieses Gebäude so umbauen könnte, dass man ein Kino rentabel betreiben kann. Die Herausforderung war dann noch viel grösser, als ich anfangs dachte. Ich habe es lange nicht geschafft, die nötigen Sitzplätze zu planen. Das Gebäude hat eine wunderschöne und zeitlosen Architektur. Leider ist es aber nicht sehr funktional. Ein Drittel der Kubatur ist Luft und Treppenhaus. Man kann es fast nicht ökonomisch betreiben. Aber die Sicht durch die Fensterfront auf das Haus Bethlehem und die Mythen ist gewaltig. Und wir sind daran, diesen Ort, dieses Kino, einzigartig zu machen. So etwas gibt es sonst in der ganzen Schweiz nicht.


Wie läuft der Umbau?


Es läuft hervorragend. Sämtliche Handwerker und Handwerkerinnen sind top motiviert. Wir haben Spass auf der Baustelle und geben Vollgas. Wir ziehen das ganze Umsetzungsprojekt in unglaublichen neun Wochen durch. Am nächsten Freitag am Lichtermeer ist ab 19 Uhr ein Abend der offenen Tür. Das Kino wird noch nicht ganz fertig sein, aber einen guten Eindruck wird man erhalten. Am Donnerstag, 13. Dezember, wird das Kino dann offiziell eröffnet. Es ist auch ein Weihnachtsgeschenk an die Schwyzer Bevölkerung.


Sie arbeiten auf der Baustelle mit?


Ja – ich bin jeden Tag auf der Baustelle und darf bei allem mithelfen: Spitzen, Trockenbau, Dämmen, Malen, Technik installieren, Putzen und vielem mehr.


Der Zeitplan ist ambitioniert. Geht er auf?


Ich bin sehr aufgeregt. Wir sind ja noch nicht fertig, und ich hoffe jeden Tag, dass es keine negativen Überraschungen gibt. Aber ich sehe, dass es nach meinen Vorstellungen entsteht, und habe eigentlich nur einen Wunsch: dass es den Schwyzern und Schwyzerinnen auch gefällt und sie es benützen werden. Eigentlich ist das für mich wie ein viertes Kind. (lacht)


Trotz dem harten Branchenumfeld glauben Sie also an die Zukunft des Kinos.


Ja sicher. Ich liebe Filme. Bild und Ton, das Ambiente. Natürlich glaube ich an die Zukunft des Kinos. Sonst würde ich das Risiko nicht auf mich nehmen.


Wie hoch ist denn das Risiko? Wie viel investieren Sie?


Rund eine halbe Million Franken. Davon sind 200000 Franken nur für Kinotechnik.


Woher kommt überhaupt Ihre Begeisterung für den Film?


In meiner Jugend stand ich an der Schwelle zur Fernsehsucht. Ich konnte abends um elf Uhr «Terminator 2» zum fünften Mal schauen. Mit der Folge, dass vieles anderes darunter litt. Seit meiner ersten eigenen Wohnung habe ich darum zu Hause keinen Fernseher mehr. Also ging ich sehr oft ins Kino, wodurch die Faszination für Filme stetig wuchs.


Wieso?


Für mich ist jeder Film ein Kunstwerk. Ich unterscheide nicht zwischen Kommerz-, Hollywood-, Dokumentar- oder Heimatfilmen. Menschen schaffen ein visuell-akustisches Werk mit ihrer Fantasie und ihrem Handwerk. Das gemeinsame Erleben dieses Kunstwerkes mit anderen Menschen in einem Kino macht es zu einem kulturellen Ereignis. Eigentlich unterscheidet sich der Kinobesuch kaum vom Museums- oder Konzertbesuch. Damit würde das Kino eigentlich auch eine gewisse Unterstützung von der Allgemeinheit verdienen.


Gibt es gar keine Beiträge vom Staat?


Doch, schon. Ich erhalte pro Jahr etwa 5000 Franken vom Bund, weil das Kino klein ist und weil ich Schweizer Filme zeige. Der Betrag ist abhängig von der Anzahl Besucher, die diese Schweizer Produktionen anschauen.


Eigentlich sollte es in Schwyz ja gar kein Kino mehr geben, oder?


Wegen des Technologiewandels, der Digitalisierung und des damit nötigen Investitionsbedarfs war der Verwaltungsrat des MythenForums drauf und dran, das Kino vor sechs Jahren zu schliessen.


Schön, haben sie damals den Entscheid gefasst, das letzte Kino mit täglichem Angebot im Talkessel von Schwyz nicht sterben zu lassen, zu modernisieren und zu vermieten.


Man hat damit die Ausgangslage geschaffen, dass ich mir einen Arbeitsplatz in der Gemeinde Schwyz schaffen konnte. Und heute investiere ich – für mich, meine Familie, für die Gemeinde und in der Gemeinde.


Auch in Brunnen Nord haben Sie für kurze Zeit in einem Provisorium ein Kino betrieben. Wieso wurde nichts Festes daraus?


Wegen der Unfähigkeit der HRS Immobilien bezüglich Brunnen Nord. Ich habe dort als Vorreiter ein wunderschönes provisorisches Kino aufgebaut und nicht unwesentlich investiert. Ich habe ihnen signalisiert, dass ich dort bleiben möchte und vom Provisorium direkt an einen von ihnen definierten Standort umziehen würde.


Woran ist es gescheitert?


Ich weiss es nicht. Ich habe mehrere Anläufe genommen, um da sProvisoriumauf dem Areal der ehemaligen Zementfabrik zu erhalten, bis zum CEO der HRS. Der hat sogar positiv geantwortet, danach ist aber wieder alles im Sand verlaufen. Ich war wohl als Geschäft einfach zu klein und unbedeutend. Das ist aber vorbei.


Bote der Urschweiz / Christoph Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

01.12.2018

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