Rückblick: Der 74-jährige, pensionierte Gymnasiallehrer Roland M. Begert bewies allen, dass es auch ein Verdingkind zu «etwas Rechtem» bringen kann. Bild Christoph Jud
Rückblick: Der 74-jährige, pensionierte Gymnasiallehrer Roland M. Begert bewies allen, dass es auch ein Verdingkind zu «etwas Rechtem» bringen kann. Bild Christoph Jud

Literatur

Verdingbub erzählte im Gymnasium

Roland M. Begert wuchs als Verdingbub auf. Heute tritt er für die historische Aufarbeitung desVerdingkinderwesens auf. Er schrieb einen biografischen Roman über dieses trübe Kapitel in seinem Leben. Gestern erzählte er im Gymnasium Immensee darüber.

Der Spielfilm «Der Verdingbub» von Regisseur Markus Imboden und Produzent Peter Reichenbach wurde im August erstmals in der PHZ Schwyz in Goldau als Vorpremiere gezeigt. Die Fachstelle Ethik, Religionen und Kultur hat mit Studierenden und Dozierenden Unterrichtsmaterialien zu diesem Film entwickelt. Nun läuft der Film seit Anfang dieses Monats in vielen Schweizer Kinos. Viele Lehrpersonen schauen sich mit ihren Schülern diesen Film an und besprechen diesen im Schulunterricht. So tat es diese Woche auch Lehrer Beat Sidler vom Gymnasium Immensee mit allen 4. Klassen.

Biografischer Roman

Am Mittwoch wurde im Rahmen der Besprechung des traurigen Kapitels der Verdingkinder ein Zeitzeuge und seinerzeit direkt Betroffener als Gast zu einem spannenden und packenden Referat ins Gymnasium Immensee eingeladen. Der Berner Roland M. Begert wuchs in der Nachkriegszeit selber als Heim- und Verdingkind auf. In einem biografischen Roman schrieb er seine Erlebnisse auf und lässt somit die Mitmenschen an seiner schweren Vergangenheit teilhaben. Das Buch mit dem Titel «Lange Jahre fremd» erschien bereits 2008. Bei seinem Besuch in Immensee erzählte er aus seinen Erinnerungen und über den Inhalt des Buches.

Vom Giesser zum Doktortitel

1937 wurde Begert geboren. Seine Mutter wollte ihn nicht behalten. So entschloss die Hebamme, ihn in ein Säuglingsheim zu geben. Er wuchs im Kinderheim auf, bis er als 12-Jähriger als Verdingbub auf einem Bauernhof platziert wurde. Die Zeit war hart für den Jungen, psychisch wie physisch litt der Junge. Später musste er – ohne überhaupt gefragt zu werden – eine vierjährige Lehre als Giesser absolvieren. Er schlug sich danach jahrelang als Fabrikarbeiter durch, besuchte ein Abendgymnasium, begann als 31- Jähriger ein Studium an der Uni Bern und promovierte dort als Doktor der Wirtschaftswissenschaften. 30 Jahre lang war er in der Folge als Gymnasiallehrer in Bern tätig.

«Film ist etwas übertrieben»


Nach dem Referat konnten die Immenseer Gymi-Schüler Begert Fragen stellen. Wie er sich zu dem erwähnten Kinofilm stelle, wurde auch gefragt. Begert kennt die Entstehungsgeschichte des Films aus Gesprächen mit den Filmemachern. Er ist der Meinung, der Film sei etwas übertrieben. «Man darf dasVerdingkinderwesen nicht einfach aufhängen an den begangenen Scheusslichkeiten», meint Begert. Er empfiehlt aber trotzdem, den Film anzuschauen und auch Geschichten von Betroffenen zu lesen.

Bote der Urschweiz / Christoph Jud

Autor

Bote der Urschweiz

Kontakt

Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

25.11.2011

Webcode

www.schwyzkultur.ch/BcLvWu