Dies & Das
Wie man vom Bauernhaus lernen kann
Am Sonntag endeten die 30. Europäischen Tage des Denkmals – in Einsiedeln fand ein Podiumsgespräch über die Baukultur im Kanton Schwyz statt.
Am Donnerstag fand in der Bibliothek Werner Oechslin das zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege Schwyz, dem Architekturforum Schwyz und dem Schwyzer Heimatschutz organisierte fünfte Podiumsgespräch statt, das diesmal dem Bauernhaus gewidmet war.
Das Podiumgespräch in Einsiedeln begann mit einem erfrischenden Einblick in die höchst bemerkenswerte Bautätigkeit um 1300 in Steinen und Schwyz. Ulrike Gollnick, ausgewiesene Kennerin, betonte die Nachhaltigkeit dieser frühen Baukultur, die sich von Holzbeschaffung aus nächster Nähe bis zu den Einzelheiten der baulichen Ausführung manifestierte: Die Blockhausbauweise erlaubte auch mal einen Abbau und eine Neuaufstellung an anderem Ort. Im Zentrum stand stets der ökonomische, haushälterische Umgang mit Materialien und Arbeitsaufwand. Die Referentin betonte die verbreitete, vom Machen ausgehende Kontinuität nachhaltigen Bauens. Nebenbei erinnerte sie, dass der Sockel der Lausanner Kathedrale aus antiken Überresten des nahen Nyon hergestellt ist. Nachhaltigkeit, Wiederverwendung von Materialien, wo immer man auch hinschaut!
«Herkunft hat Zukunft»
Auch die nachfolgenden Referenten betonten, dass auf dieser Grundlage sehr vielfältige Lösungen und hochwertige Bauausführung erzielt werden können. Hardy Happle stellte die energetisch wie ökonomisch hochmodernen, nachhaltig gebauten und Identität stiftenden Schwarzwälder Bauernhäuser vor und formulierte deshalb: «Herkunft hat Zukunft! » Die kurzen Wege und Zeiten, die Ressourcenökonomie, finden sich zusammengeführt in einer «intelligenten LOW-tec». Happle nennt es eine «intelligente Einfachheit», weil dabei nichts verlorengeht, was sich mit durchaus differenzierten Ansprüchen verbindet. Auch Tobias Jaklin, der am Bodensee die Gebäude des Guts Bodmann betreut und sich als «Dorfarchitekt» versteht, nutzt sein Wissen über historische Bauten und deren Materialien als Grundlage seiner erhaltenden, ergänzenden und neubauenden Tätigkeit. Das Bauernhaus ist für Jaklin der Kern solchen Tuns, weil sich in ihm und an ihm alles ablesen lässt, was für das Weiterbauen nützlich und angemessen ist. «Lernen vom Bauernhaus» lässt sich dies nennen: Es bietet sich ein riesiges Potenzial an; es bedarf einer intelligenten Strategie, um den ganzen Reichtum des Bauernhauses neu zur Geltung bringen zu können.
Wenn sich alles harmonisch in ein Ganzes zusammenfügt
Diesen Ausführungen fügte sich in glücklicher Weise die Vorstellung eines in diesem Sinne, in Gross, realisierten Projekts an. Christa Barmettler und Thomas Weingartner, Haupt AG, Holzbauarchitektur, konnten bis in einzelne Massnahmen hinein aufzeigen, wie sich eine solche nachhaltige, ökonomische und haushälterische Bauweise im konkreten Fall und unter Hinzufügung neuer Bauteile sehr vorteilhaft auswirkt. Man kann kaum mehr erkennen, was nun genau alt, was erneuert und was neu an diesem Bau ist, weil sich alles harmonisch in ein Ganzes zusammenfügt. Allen Beiträgen war der Gedanke grundgelegt, dass eine solche bauliche Einheit nicht durch Reduktion zu erzielen ist: Es ist vielmehr ein nachhaltiges, behutsames Vorgehen, das eine Synthese aus Vergangenem und Gegenwärtigen ermöglicht. Das Bauernhaus ist so besehen – sehr viel mehr als vermutet und auch sehr viel weitreichender – ein gültiges Modell für das Bauen, bei dem sich Einfachheit und Reichtum der Formen und Bezüge mühelos zusammenfinden. In allen Beiträgen kristallisierten sich geteilte und gemeinsame Erfahrungen und Einschätzungen heraus.
Eine Diskussion über echte Nachhaltigkeit im Fokus
Man beschwor nicht nur eine äussere, ästhetische Form von Einfachheit, sondern den im wahrsten Sinne nachhaltigen, ökonomischen, ganz wörtlich haushälterischen Umgang mit allem: Boden, Material, Energie. Daran ist der tiefere Sinn von Einfachheit gekoppelt, statt Reduktion der ganze Reichtum baulicher Erfahrung. Es liessen sich gerade in der Schweiz ältere Zeugen dieser Grundeinstellung finden, etwa in der Darstellung zum Schweizerhaus, das Hans Schwab im Jahr 1918 in den Gegensatz zum «schablonenhaften Chaletbau » setzte, um es dann in der regionalen, «kantonalen» Vielfalt darzustellen. Dass dieser ebenso vielfältigen wie einfachen Architektur in der Schweiz letztlich eine ethische Grundüberzeugung zugrundeliegt, betonte Rudolf Schwarz, als er im Jahr 1948 unter dem Titel «Helvetia docet» die «Schweizerische Architektur-Ausstellung » in Köln begleitete und festhielt, dass man als schweizerisch auch «den menschlichen Anstand der gezeigten Bauten» verstünde. Das ist lange her und lässt eine Diskussion zu echter Nachhaltigkeit umso dringlicher erscheinen.
Gespräch über «Weiterbauen in Dorf und Stadt» folgt
Das Gespräch fand noch am gleichen Abend Wirkung. Bauherrschaft, Architekt und Denkmalpfleger des Grosser Hauses waren zugegen und demonstrierten beim Apéro, wie eine gute Zusammenarbeit solche Lösungen ermöglicht. Unter den Zuhörern befanden sich mehr als nur eine Person, die noch am gleichen Abend Kontakt aufnahmen. Es ist besonders erfreulich, dass so konkrete Anregung den Nutzen dieser Veranstaltung aufzeigt. Es sollen weitere folgen, wie auch der Kulturbeauftragte des Kantons Schwyz, Franz-Xaver Risi, sichtlich erfreut betonte. Anja Buschow Oechslin kündigte derweil als Fortsetzung ein Gespräch zum Thema «Weiterbauen in Dorf und Stadt» im kommenden Jahr an.
Einsiedler Anzeiger / woe
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