Monika Dittrich-Schneider. Bild Gina Graber
Monika Dittrich-Schneider. Bild Gina Graber

Kunst & Design

Künstlerisch geprägte Praxisräume

Vernissage im MedicoPlus Ärztezentrum an der Spitalstrasse

Zum siebten Mal präsentiert das MedicoPlus Ärztezentrum in Einsiedeln in seinen Räumlichkeiten Kunst. Die Ausstellung der besonderen Art in den Gängen und Behandlungszimmern wurde am Samstagabend im Beisein der fünf Kunstschaffenden eröffnet. Man kann sich das Ärztezentrum an der Spitalstrasse ohne Kunstwerke mittlerweile gar nicht mehr vorstellen. Bereits zum siebten Mal konnte der Geschäftsleiter und Arzt Simon Stäuble das Vernissagenpublikum begrüssen.

Kaum jemandem steht hier der Sinn nach Kunst …


Die Menschen, die im Praxiszentrum ein und aus gehen, befinden sich in ganz unterschiedlichen Verfassungen und kaum jemandem steht dabei der Sinn nach Kunst. Sie kommen, um ihre ganz individuelle Krankheit abklären und behandeln zu lassen oder sie begleiten besorgt Angehörige auf einem möglicherweise schweren Gang. «Die hier gezeigte Kunst hat einen anderen Stellenwert als in einem Museum oder in einer Galerie.» Zeno Schneider, Kurator Die hier gezeigte Kunst hat einen anderen Stellenwert als in einem Museum oder in einer Galerie. Möglicherweise wird sie nur beiläufig wahrgenommen. Bei der Auswahl der Bilder und Fotografien ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn die Werke sollten als angenehm, vielleicht als Ablenkung oder Überraschung wahrgenommen werden, wenn auch nur unterbewusst. Kurator Zeno Schneider verfügt als Kulturschaffender und ehemaliger Arzt über diese Sensibilität und hat auf den Etagen fünf stilistisch und thematisch unabhängige Werkschauen zusammengestellt.

Ein Farbenrausch im Untergeschoss


Das MedicoPlus ist ein besonderer Kunstraum, fehlen ihm doch grosszügige Räumlichkeiten, die einen distanzierten Blick auf Kunstwerke erlauben würden. An die Präsentation von sperrigen Skulpturen ist gar nicht zu denken. In den engen Gängen und Praxisräumen sind deshalb vor allem kleinformatige Bilder zu sehen, einzig das Untergeschoss ist etwas grosszügiger dimensioniert. Dort wird man denn auch von einem prächtigen Farbenspiel empfangen: Die expressiven Gemälde von Monika Dittrich-Schneider bringen die nüchternen Wände zum Leuchten. Bunte Vögel, abstrakte Symbolfiguren und chiffrierte Texte ziehen einen in ihren Bann und beflügeln die Fantasie. In den grosszügigen Farbkompositionen entdeckt man je länger, je mehr Details, die einen vergessen las-sen, dass man auf einen Röntgentermin wartet.

Werkschauen von zwei Altmeistern


Im Parterre des MedicoPlus sind Bilder von Walter Hintermann zu sehen. Der ehemalige Zeichenlehrer am Seminar Rickenbach ist fasziniert von den Formen der Natur. Ganz besonders fasziniert ist er von der Oberfläche von Nagelfluh-Gestein und – speziell – von der Haut von Kröten. So unterschiedlich die beiden Materialien sind, sind ihnen doch rundliche, höckerige Erhebungen gemeinsam. Walter Hintermann ist fasziniert von die-sen «geheimnisvollen Löchern», die einen wie Augen anschauen, und abstrahiert sie zeichnerisch, malerisch und als Collagen. Was abstrakt wirkt, ist der Natur abgeschaut. Im ersten Stock präsentiert Alfons Bürgler eine kleine Werkschau über sein jahrzehntelanges Schaffen. Sie zeigt wie im Zeitraffer seine vielgestaltige künstlerische Entwicklung auf: Frühe Linolschnitte und andere Druckgrafiken hängen neben meditativen Aquarellen und abstrakten Kompositionen. Die neueren Werke, die er «Körperschriften» nennt, kennen Besucherinnen und Besucher des nahe gelegenen Gesundheitszentrums, wo mehrere Werke Bürglers mit den typischen, unzähligen Figürchen zu sehen sind.

Faszinierende Antarktis


Im zweiten Stock befinden sich die Praxisräume für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Dort präsentiert die in Einsiedeln lebende Fotografin Liselotte Maag Bilder, die sie auf der «Reise ihres Lebens» in der Antarktis geschossen hat. Neben ästhetischen Fotografien der unberührten, unfassbar schönen Landschaften des Südpols tummeln sich Robben und Pinguine auf präzisen Schnappschüssen. Liselotte Maags einnehmende Naturfotografien wurden bewusst auf der Kinderabteilung platziert, denn die teils in drolligen Situationen fotografierten Tiere sind unter anderem auch eine wunderbare Ablenkung für kleine Patientinnen und Patienten. Liselotte Maag möchte nicht als Künstlerin bezeichnet werden, aber mit ihrem untrüglichen Blick für das Wesentliche, der technischen Perfektion ihrer Fotografien und der Leidenschaft für das Schöne steht sie «Kunstschaffenden» in nichts nach.

Bilder aus Naturfarben


Die Natur spielt auch im Schaffen von Mary Anne Imhof eine zentrale Rolle, wenn auch in einer ganz anderen Art. Ihr künstlerischer Schwerpunkt liegt auf dem Sammeln und Herstellen von natürlichen Pigmenten aus anorganischen und organischen Stoffen und auf der Herstellung eigener Malfarben mit den gewonnenen Pigmenten. Die in weichen, erdigen Tönen gestalteten Werke sind ein Spiel mit Formen und unzähligen Farben. Während der Corona-Zeit hat Mary Anne Imhof auf der Kanareninsel La Gomera ein künstlerisches Herbarium der dortigen Pflanzenwelt erstellt. Entstanden ist ein Kaleidoskop von zarten Pflanzenumrissen, eine bleibende Liebeserklärung an die Insel, auf der die Künstlerin zeitweise lebt. Wie oft schon musste man im MedicoPlus länger als erwartet auf den vereinbarten Arzttermin warten. Es ist müssig und ungesund, sich in dieser Situation zu ärgern. Eine Runde durch den Gang, eine kurze Betrachtung der ausgestellten Kunstwerke verkürzt die Wartezeit, senkt eventuell den Blutdruck und macht aus der scheinbar verlorenen eine gewonnene Zeit. Die gezeigten Werke und Fotografien sind nun ein ganzes Jahr lang zu betrachten.

Einsiedler Anzeiger / Gina Graber

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Kunst & Design

Publiziert am

18.04.2023

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