Vorbereitung auf ein gepflegtes Besäufnis: Der heiratswillige Mollfels (von links, Achim Blum), der zweifelhafte Schulmeister (Anita Bürgler) und Schreiberling Rattengift (Guido Widmer) brauchen bald viel Schnaps. Bild Roger Bürgler
Vorbereitung auf ein gepflegtes Besäufnis: Der heiratswillige Mollfels (von links, Achim Blum), der zweifelhafte Schulmeister (Anita Bürgler) und Schreiberling Rattengift (Guido Widmer) brauchen bald viel Schnaps. Bild Roger Bürgler

Bühne

Bis es dem Teufel doch zu bunt wird

Eines der abgefahrensten Bühnenstücke der letzten Jahre gibt es aktuell in Küssnacht zu sehen. Die dortigen Theaterleute spielen mit einem tollen Ensemble eine aberwitzige Interpretation von Christian Dieter Grabbes «Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung».

Den Prolog wie auch den Epilog macht der Dramatiker Grabbe gleich selber. In der Person von Guido Widmer, der auch grossartig den narzistischen Schriftsteller Rattengift spielt, begrüsst Grabbe das Publikum und verabschiedet es nach 90 rasanten und schrägen Minuten im Theater Fischbach auch wieder.

«Musst mal leer schlucken»

«Ihr seht! Die Menschheit hat sich in den letzten 200 Jahren nicht verändert», sagt der Autor zum Schluss. Und er scheint recht zu haben. Der alltägliche Irrsinn, die menschlichen Abgründe, Egoismus, Eitelkeit, Gier und Dummheit (selbst von Gelehrten) scheinen immer schon zu den Kernkompetenzen des Homo sapiens gehört zu haben. So jedenfalls skizziert der damals 21-jährige Autor die Menschen in seinem 1822 verfassten und 1827 überarbeiteten Lustspiel «Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung». Dieses war eigentlich eine Kollegen- und Gesellschaftsschelte sondergleichen und wurde zu Lebzeiten des Autors nie gespielt. Patrick Hediger, der frühere Produktionsleiter und Hauptdarsteller der Küssnachter Theaterleute, hat das Stück bereits vor Jahren entdeckt und eine Bearbeitung verfasst. «Im Original würde es heute nicht funktionieren», sagte Hediger. Also hat er aktuelle Bezüge aus der Welt der Medien, der Banken und Politik aufgegriffen und so dem Stück die nötige Prise Aktualität eingehaucht. Peter Freiburghaus, der letztes Jahr für die Küssnachter in seinem Theater Duo Fischbach inszenierte, forderte Patrick Hediger auf, das Stück auf die Bühne zu bringen und gleich selber Regie zu führen. «Ich schluckte erst mal leer und machte mich an die Arbeit», sagte Hediger.

Absurde Szenerie

Leer schlucken muss zwischenzeitlich auch das Publikum. Auch wenn die Figuren wie auch die Szenerie (Ausstattung gewohnt souverän von Ruth Mächler) durchs Band komplett überzeichnet sind, so wird dem Publikum doch 90 Minuten lang der Spiegel vorgehalten. Dies aber mit Scherz, Satire und Ironie. Über die tiefere Bedeutung kann man streiten. Der Teufel (Rolf Steffen) steht im Zentrum des Stücks. Er ist auf Stippvisite bei den Menschen (in der Hölle wird gerade geputzt) und wird erst einmal von drei dumben Wissenschaftlern verkannt, dann in die Liebeleien einer aristokratischen Hoffstatt verwickelt, vom permanent alkoholisierten Schulmeister (Anita Bürgler) gefangen und schliesslich von seiner Grossmutter (Gina Zbinden) wieder zurück in die Hölle geholt. Die Nebenschauplätze der Dramaturgie sind das Sahnehäubchen des Stücks. Da hat Patrick Hediger aus dem Vollen geschöpft. Die Prinzessin wird von einem Mann (Ivan Beeler) gespielt, die meisten Männerrollen von Frauen. Die Erschlagung von 12 Kapuzinermönchen (!) zum Stones-Klassiker «Satisfaction», die Beschlagung desTeufels Hufe oder das absurde Gedicht übers Nichtdichtenkönnen sind so schräg, dass man gleich ins hanebüchene Pseudo-Botellón in der Mitte des zweiten Aktes einsteigen möchte.

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

16.04.2012

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