Musik
Die «Metzger» verfeinern ihren Cocktail
Blind Butcher sind die international gefragteste Luzerner Band. Ihr neues Album erweitert das Bewährte mit neuen Finessen.
Es war einmal ein «blinder Metzger», der in den dunklen Kaschemmen von Lucerne Town mit seinen scharfen Soundklingen das Publikum verzückte. Die Leute wurden süchtig nach diesen ungehobelten Performances, in denen Christian Aregger (Gitarre) und Roland Bucher (Drums) in schrägen Outfits den Geist des Rock’n’Roll mit Glitter, Trash und Disco-Beats einstampften, bis das Publikum windelweich gegart und glücklich war. Seitdem ist viel Wasser die Reuss heruntergeflossen und hat das Städtchen Luzern seine paar Hypes kommen und gehen sehen. Um Blind Butcher musste man sich nie Sorgen machen. Das Duo hat sich abseits von Schlagzeilen «durchgemetzget» und ist inzwischen die Luzerner Band, die auch international am meisten unterwegs ist. Roli Bucher lächelt: «Ja, wir haben sehr viel gespielt seit dem letzten Album – eigentlich nonstop.» Das Duo, das gerne in Leggings und Glitzerkostümen auftritt, tourte fast durch ganz Europa. Dazu kamen bekannte Showcase-Festivals in Brighton UK, Groningen NL, Wien oder Hamburg, die jeweils von Agenturen und Veranstaltern besucht werden. Ein Highlight war 2018 eine kleine Südafrika- Tour. Dank Lust an der Musik, hartnäckiger Arbeit, einem gut vernetzten Label und einer ebensolchen Booking-Agentur aus Berlin sind Blind Butcher auf dem besten Weg, für die längst verschollene Rock-City Lucerne doch noch die Lorbeeren einzufahren.
Vielschichtig und melodiöser
Der Sound von Blind Butcher ist ein Mischmasch aus bewährten Rock-’n’- Roll- Ingredienzen, New Wave, Punk, Neue Deutsche Welle, Disco, Country und elektronischen Zutaten. Puls und Takt geben Drive, gewürzt mit kringelnden Gitarren und allerhand fiependen Sounds. Diesertrashige Hauruck-Sound mit seiner Energie kommt auch auf dem wunderbar geratenen Album «Piss Me A Rainbow» (Irascible) nicht zu kurz – etwa auf der Single «Shooting Star». Die Luzerner Künstler Lipp/Leuthold/Oehninger haben dazu ein gruselig-faszinierendes Video gedreht, bei dem kein Lebensmittelinspektormehrruhigschlafen kann. Von diesem Trio stammt auch das Cover. Doch dem neuen Album fehlt es nicht an neuen Facetten. Die Musik ist vielschichtiger. Es gibt mehr rhythmische und melodiöse Details, die Songs sind aus vielen Mikrozutaten komplexer gebaut. Auch hört man eine gewisse Annäherung an Pop («Liebe leben»). Und auf drei Songs haben Blind Butcher die lautmalerische Liebe zur Schweizer Mundart entdeckt. «Weni Noni Mini Ha» (Aregger), «Sig Äbe» (Bucher) und «Briseli», dessen Text vom Autor und Musiker Dominic Oppliger stammt. Der Titeltrack «Piss Me A Rainbow» beginnt mit einem Click-Pattern à la Schnellertollermeier und verwandelt sich dann in ein psychedelisch angehauchtes Minimal-Monster. Einprägsame Textformeln, ein süffiger Backbeat, schwirrende Sounds und Wechselgesänge prägen das Stück «6300», das Hitpotenzial hat.
Aufgenommen in Malters
Die exotisch aufgebrezelte Klangwelt von «Huko Huko Ni Paca», irgendwo zwischen Orient und Afrika, kommt nicht von ungefähr: Der Text ist auf Suaheli und wurde im Gelben Haus ausgeheckt und übersetzt. «How Could Fools Get Tired», mit fünf Minuten das längste Stück, erinnert mit seinem krautigen Sound-Cocktail und seinem Gesang an Can. Wie schon das Vorgängeralbum «Alawalawa» (2017) haben Blind Butcher ihr neues Werk in ihrem Übungsraum-Studio in Malters mit dem Produzenten Daniel Wehrlin aufgenommen. «Wir haben wie ein Trio an unseren Aufnahmen gearbeitet. Dani kennt sich aus mit dem ganzen Sound-Handwerk. Er hat auch gewisse Gesänge und Synthie-Linien eingespielt. » Bucher ist gespannt, wie sie den vielschichtig gewordenen Sound über die Bühne bringen können. «Wir haben nie ein Konzept, wenn wir ein Album aufnehmen. Jeder arbeitet an Skizzen und Ideen, dann tragen wir das Material zusammen und schauen, wozu wir Lust haben.» Diesmal hätten sie explizit keine Rücksicht darauf genommen, ob etwas auf der Bühne funktioniere, sagt Bucher. «Wir haben getan, was uns Spass macht.» Umso mehr sind sie jetzt wieder am Tüfteln, wie viel sie zu zweit vom Album live umsetzen können. «Das ist auch eine spannende Aufgabe und bringt uns einen grossen Schritt weiter.» Bucher grinst: «Wir müssen einfach ein paar zusätzliche Tricks auspacken.» Vor Kurzem feierte das Duo zweitägige Plattentaufe in der Industrie 9 in Luzern. Im November 2019, Februar und Mai 2020 sind Tourneen durch Europa geplant. Dazwischen machen sie an drei Theaterproduktionen mit: die TV-Sitcom «Müllers im Südpol», ein Kinderstück im Kleintheater und die grosse Kiste «Theiler AG» im Luzerner Theater, die im März 2020 (fast) jeden Abend gespielt wird. Wer sagt noch, dass «blinde Metzger» arbeitslos seien? Keep on Rockin’!
Bote der Urschweiz / Pirmin Bossert
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Bote der Urschweiz
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