Der Chor vereint mit Leichtigkeit verschiedene Welten: Innige Rugguseli und neckische Ratzliedli werden gewürzt mit Beatbox und Rap.
Der Chor vereint mit Leichtigkeit verschiedene Welten: Innige Rugguseli und neckische Ratzliedli werden gewürzt mit Beatbox und Rap.
Offensichtlich sind Appenzeller Männer nicht halb so schön wie ihre Frauen. Doch das ist nicht das einzige Klischee, das gepflegt wird. Bilder Monika Neidhart
Offensichtlich sind Appenzeller Männer nicht halb so schön wie ihre Frauen. Doch das ist nicht das einzige Klischee, das gepflegt wird. Bilder Monika Neidhart

Musik

Rugguseli, Rap und Schauspiel in Appenzeller Tracht

Der Hitziger Appenzeller Chor löste mit seinem Programm «Joli-Yo» am Freitagabend Begeisterung im Theater Duo Fischbach aus.

Was ganz brav beim Hitziger Appenzeller Chor beginnt, täuscht. Traditionell stehen sie im Halbrund da, die fünf Appenzellerinnen und vier Appenzeller in ihren schmucken Trachten. Ein Rugguseli eröffnet den Abend. Dosiert und glockenklar die Töne. Doch kaum ist das Publikum im ausverkauftenTheater Duo Fischbach in diese innigen Klänge eingestimmt, wird es mit lang gezogenen Tönen und schrägen Bewegungen überrascht. «Die Tradition hat noch viel mehr zu bieten als ruugguusele, zaure und Hände in den Hosensack. Wir möchten das Überlieferte frisch und unbekümmert weiterleben lassen», charakterisiert Meinrad Koch seinen Chor. So wird aus dem altbekannten «Uf dä Alpe obe» ein grooviger Rap, der ohne Bruch nahtlos wieder in das Volkslied führt. Beim Gospel «Down by the Riverside» schlafen einzelne Chormitglieder fast glaubhaft in ihrer Mimik und Haltung ein, bis unerwartet daraus eine innig gesungene Liebeserklärung an den Seealpsee im Appenzeller Dialekt wird. Ursprünglich wurde der Chor als Projekt für die Olma 2006 aus jungen experimentierfreudigen Innerund Ausserrhodern gebildet.

Stimmentänzer Martin O. als Coach

Die musikalische Leitung lag bei Martin Ulrich, besser bekannt als Martin O. (Stimmenvirtuose, Beatboxer und Musikgeschichtenerzähler). Das Projekt machte Spass, es wurde verlängert. Den Chor leitet nun Raphael Holenstein, Student in «Master of Arts in Musikpädagogik », während Martin Ulrich einbis zweimal pro Monat als Coach dazukommt. Der Chor vereint das, was diese jungen Leute ausmacht. Meinrad Koch wuchs auf einem Bauernhof auf. «Das Rugguusele pflegen wir vor allem während dem ‹Oeberefahre› (Alpaufund abzug). » Doch sie gehen auch in die Welt hinaus wie er: «Während elf Monaten war ich in den USA, wo ich der Rapkultur begegnete. Kurz darauf kreierten wir einen Rap, den wir heute noch im Programm haben. Es macht riesig Spass, die Brücke zu schlagen und die Volksmusik durchzuschütteln.» Es ist eine Gesamtchoreografie, die das Publikum fesselt und immer neu überrascht. Mit dem Appenzeller Witz und Klischees wird gekonnt und fein gespielt.

Schauspielerisches Talent

Auch schauspielerische Talente sind in diesem Chor selbstverständlich: MachoPosen, schmachtender Augenaufschlag und LoserBlick in der Tracht oder in schlabbrigen Trainerhosen. Überraschend der Tennismatch mit dem Speaker, dem wippenden Hintern in der braunen Zwilchhose beim Aufschlag und dem in Ohnmacht fallenden Spieler, der mit Wasser geweckt wird. Sein Schluck gerät ins Publikum. Die nötige Entschuldigung «dumm, dumm …» wiederum wendet sich in ein rhythmusstarkes afrikanisches Lied. «Es ist das eine, einen Naturjuuz, einen Rap oder Gospel stilsicher zu singen. Doch diese gekonnt ineinanderfliessen zu lassen und sie so vorzutragen, zeugt von hoher Klasse», resümiert ein Küssnachter Besucher. Und ein anderer fügt an: «Und dabei noch so gut zu unterhalten erst recht.»

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

Kontakt

Kategorie

  • Musik

Publiziert am

26.01.2015

Webcode

www.schwyzkultur.ch/kiH163