Tra Nguyen begeisterte am Samstag mit ihrem Klavierspiel das Publikum im Saal des Hotel Marina Lachen. Bild Carlo Stuppia
Tra Nguyen begeisterte am Samstag mit ihrem Klavierspiel das Publikum im Saal des Hotel Marina Lachen. Bild Carlo Stuppia

Musik

Farben-, Licht- und Schattenspiele

Mit ausschliesslich Werken von Joachim Raff zündete die britisch-vietnamesische Pianistin Tra Nguyen am Samstagabend ein virtuoses pianistisches Feuerwerk im Hotel Marina Lachen. Die rund 120 Gäste waren gefordert, zeigten sich aber begeistert.

Die magische gewitterhafte Atmosphäre über dem Zürichsee begeisterte die erstmals in Lachen konzertierende Künstlerin so sehr, dass sie in ihrer Ansprache ans Publikum ausrief: «You don’t know, how lucky you are!». Sieben CDs mit ausschliesslich Werken von Joachim Raff hatte sie eingespielt, bis es der Joachim-Raff-Gesellschaft gelang, sie in den Geburtsort «ihres» Komponisten einzuladen, dessen Werke erheblich durch die zauberhaften Stimmungen der Obersee-Region geprägt wurden. Im Bankettsaal des Hotels Marina kamen gut 120 Gäste zusammen, um vor der spektakulären Kulisse Raffs virtuosen «Chiaroscuro»-Spielen zu lauschen.

Leidenschaften und Metamorphosen


Nach wie vor kriegt man Raff als virtuosen Klavierkomponisten nur sehr selten zu Gehör. Wie Tra Nguyen in einer Ansprache meinte, sind die Stücke höllisch schwer – bis heute wagen sich nur wenige Künstlerinnen und Künstler an diese enormen Hürden, da sie Mühe bekunden, Konzertveranstalter für die ungewohnten Werke zu gewinnen. Dankenswerterweise suchte sich Tra Nguyen daher aus den gut 20 Raff-Werken, die sie bereits eingespielt hat, gleich drei der musikalisch und technisch anspruchsvollsten aus. An den Anfang des Rezitals setzte die Künstlerin zwei Werke, mit denen sich Raff als Assistent von Franz Liszt, dem Pianistengott schlechthin, in der pianistischen «Meisterklasse» Weimar zu etablieren versuchte. Drei melancholisch-schwermütige Stücke aus dem Zyklus «Frühlingsboten», mit dem Raff die zunächst unerwiderte Liebe zur Schauspielerin Doris Genast musikalisch verarbeitete, eröffneten die pianistische Tour-de-force, die Tra Nguyen bewundernswert meisterte. Bereits Zeitgenossen entdeckten wenig «Frühlingshaftes» in diesen poesievollen Stücken, die sich durch abenteuerliche Harmonien sowie ein dichtes Gewebe an eng verschlungenen Mittelstimmen auszeichnen und in einem heftigen musikalischen «Vorwurf » gipfelten. Mit den drei Klavier-Soli (Ballade, Scherzo und Metamorphosen) betrat sie noch virtuoseres Terrain, das von pianistischen Schikanen aller Art gesäumt war: donnernde Oktavläufe, dichte Kontrapunktik, Thementransformationen.

Ersatz für eine Rapperswiler «Jugendsünde»


In der zweiten Fassung widmete sich die Pianistin der Klaviersonate op. 14, mit der Raff als arrivierter Direktor des Hoch’schen Konservatoriums die «Jugendsünde » aus seiner Rapperswiler Zeit vollständig ersetzte und im Jahr vor seinem Tod mit einem dichten, überaus düsteren Werk sein pianistisches Oeuvre abschloss. Sogar der wundervoll innige, langsame Satz brachte nur eine kurzzeitige Entspannung: Im Mittelteil entlud sich ein drohendes Grollen in einen heftigen Ausbruch, ehe das festliche, aber nicht ungetrübte Finale das Werk zu einem spektakulären Abschluss brachte. Das geforderte, aber auch angetane Publikum beklatschte die Künstlerin minutenlang; eine Zugabe von Mozart entliess das Publikum in die Nacht.

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Severin Kolb

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

22.08.2022

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