1Applaus für Violinist Dmitry Smirnov und Dirigent Jakub Przybicien in Lachen. Bilder Severin Kolb
1Applaus für Violinist Dmitry Smirnov und Dirigent Jakub Przybicien in Lachen. Bilder Severin Kolb
Applaus für Violinist Dmitry Smirnov und Dirigent Jakub Przybicien in Lachen. Bilder Severin Kolb
Applaus für Violinist Dmitry Smirnov und Dirigent Jakub Przybicien in Lachen. Bilder Severin Kolb

Musik

Ghostwriting im wahrsten Sinn des Wortes

Im Abschlusskonzert des diesjährigen «Musiksommers am Zürichsee» wurden am Samstagabend in der katholischen Kirche Lachen ein Virtuose, ein Dirigent und ein Bearbeiter mit Standing Ovations beklatscht.

 Das samstägliche Konzert bildete geradezu den Kulminationspunkt der Saison 2023 des «Musiksommers am Zürichsee», die unter dem Motto «Ghostwriter» stand. Denn eines der passgenausten Stücke zum Thema sparte sich Manuel Bärtsch, der künstlerische Leiter des Festivals, für das Abschlusskonzert auf: Max Regers nachgelassene Rhapsodie für Violine und Orchester, die angeblich durch Kontakt ins Jenseits vollendet wurde. Zudem war es das letzte von drei Konzerten mit dem hervorragenden jungen Violinisten Dmitry Smirnov, für den technische Hürden nicht zu existieren scheinen.

 

Von Geisterhand vollendet

Gerade einmal 50 Takte eines «Adagio und Rondo capriccioso» hinterliess Max Reger bei seinem vorzeitigen Tod im Jahr 1916. 15 Jahre später vollendete der spiritistisch veranlagte Violinist Florizel von Reuter, der angeblich Kontakt mit dem verstorbenen Komponisten im Jenseits aufgenommen hatte, das Werk – das nun als Symphonische Rhapsodie für Violine solo und Orchester zur Uraufführung gebracht wurde. Manuel Bärtsch bearbeitete diesen selten gespielten «Wechselbalg», der bald nach der Uraufführung in der Schublade verschwand, für Kammerorchester. Oftmals verderben viele Köche den Brei, in diesem Fall entstand jedoch ein stimmiges Kunstwerk, das elegisch-intime, tänzerisch-spritzige und kontrapunktische Momente vereint. Jakub Przybicien, ein Dirigent am Übergang zu einer vielversprechenden internationalen professionellen Karriere, hatte das perfekt aufeinander abgestimmte Ensemble, das sich hauptsächlich aus Musikern des Luzerner Sinfonieorchesters rekrutierte, mühelos im Griff. Smirnov spielte eindringlich, elegant, leidenschaftlich. Mit einer Zugabe von Eugène Ysaÿe unterstrich er eindrücklich, dass virtuose Musik dann wirklich zur Musik wird, wenn die Technik zur Nebensache und Interpretation möglich wird. Bei Smirnov wirkt selbst ein derart virtuoser Reigen wie ein Spaziergang.

 

Bruckner in schlank

Für die Besetzung seiner Reger-Adaptation nahm sich Manuel Bärtsch jene von Bruckner-Bearbeitungen aus den 1920er-Jahren zum Vorbild, die für Arnold Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen angefertigt wurden. Statt in der Originalfassung, die weit über 100 Ausführende aufbietet, erklang die fast fünf Viertelstunden dauernde Siebte Symphonie in der Lachner Kirche aus den Händen von einem guten Dutzend Musikerinnen und Musikern – Akkordeon und Klavier übernahmen eine Jokerrolle und verliehen dem Werk eine eigentümliche, intime Einfärbung. Bruckners dichte Polyphonie kam in der sinnigen, kammermusikalischen Bearbeitung dieser «symphonischen Riesenschlange » ebenso zur Geltung wie die grossen dynamischen Spannungsbögen, deren zum Teil massive Klangballungen auch in Kirchenakustik nie penetrant laut oder schwammig wurden. Nach fast zwei Stunden Konzertdauer bedankte sich das etwa 60-köpfige Publikum durch die Bank mit Standing Ovations.

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Severin Kolb

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

Kontakt

Kategorie

  • Musik

Publiziert am

16.10.2023

Webcode

www.schwyzkultur.ch/HD6QMU