Musik
Wehmütiger Ausklang des Musiksommers
Spätsommer- und Abendstimmungen sowie ein Abgesang auf eine als golden erachtete Ära prägten das stimmige samstägliche Abschlusskonzert des Musiksommers am Zürichsee in der katholischen Kirche Lachen.
Es hat eine lange Tradition, den Musiksommer mit einem ambitiösen Symphoniekonzert in der katholischen Kirche Lachen ausklingen zu lassen, jeweils unter Rückgriff auf Werke Joachim Raffs, der in einem Haus nebenan das Licht der Welt erblickte und zu den meistgespielten Komponisten seiner Zeit gehörte. Wie im Jahr zuvor teilten sich heuer Graziella Contratto, Kulturpreisträgerin der Innerschweiz, und Giovanni Bria, der vitale Gründer und Kopf des Musiksommers, die Leitung des Konzerts, das seinen Ausgang in Streichorchesterformation nahm.
Gegensätzliche Reaktionen
Scheinbar unberührt vom Zweiten Weltkrieg schrieb Othmar Schoeck 1945 sein pastorales Intermezzo «Sommernacht». Der in Brunnen geborene Komponist erzeugt darin eine klangliche Idylle mit gelegentlichen verspielten Episoden, die Glühwürmchen oder Feenreigen zu evozieren scheinen. Im Gegensatz dazu drehen sich die ebenfalls 1945 entstandenen «Metamorphosen » von Richard Strauss um den grossen Krieg, der die von ihm so geliebte deutsche Kultur in Schutt und Asche legte. Mit diesem wehmütigen, aufgewühlten Abgesang versuchte er, die Zerstörung des Kulturlebens zu verarbeiten. Es gelang Graziella Contratto auf beeindruckende Weise, das überaus polyphone Strauss’sche Gewebe trotz Kirchenakustik transparent hörbar zu machen und die grossen Spannungsbögen des Werks aufzuziehen.
Bach in Raff’schem Gewand
Nach der Pause übernahm Giovanni Bria das Podest vor dem nun mit Bläsern und Pauke verstärkten Orchester. Wie kaum ein anderer Dirigent nimmt er sich der Musik von Joachim Raff auf höchstem Niveau an. Im diesjährigen Konzert zeigte er das schwermütige Gesicht dieses vielseitigen Komponisten. Als Raff die Ehrenmitgliedschaft der Philharmonischen Gesellschaft New York angetragen wurde, bedankte er sich mit einer orchestrierten Fassung der bekannten Chaconne aus Johann Sebastian Bachs Partita für Violine solo d-Moll (BWV 1004). Er versuchte, eine Art «Urfassung» dieses Satzes zu konstruieren, den er als Bachs Bearbeitung einer verschollenen grösser besetzten Version einschätzte. Die Struktur der Variationenfolge über ostinatem Bass erlaubt es Raff, die Farbpalette des grossen Orchesters zu zücken und der Chaconne einen majestätischfeierlichen, romantisch-barocken Anstrich zu verpassen. Raffs Rhapsodie «Abends», eine Bearbeitung eines schwärmerischen Satzes aus seiner Klaviersuite G-Dur op. 163, schloss den Bogen zum Anfang des Konzertes. Zwischen ihr und den Stücken von Strauss beziehungsweise Schoeck liegen zwar mehr als 70 Jahre, aber dennoch keine Welten. Für den Ausklang dieses Festivals, der mit den letzten Sonnenstrahlen des Herbsttages zusammenfiel, hätten kaum passendere Klänge gefunden werden können.
Höfner Volksblatt und March-Anzeiger (Severin Kolb)
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