Bühne

Ganz anders als in Einsiedeln

Am vergangenen Samstag fand im Verenasaal des Pfarrheims Ibach durch die Bühne66 Schwyz die Premiere des Stückes «De Franzos im Ybrig» von Thomas Hürlimann statt. Wie bei der Uraufführung am 7. August 1991 im Rossstallhof des Klosters Einsiedeln gab es in Ibach viel Applaus für die Produktion. Dieser «Franzose» ist im 21. Jahrhundert angekommen!

Natürlich, die Erinnerungen verblassen. Und wer wird sich noch an jedes Detail einer Theateraufführung aus dem Jahr 1991 erinnern können? Der Schreibende konnte sich immerhin seinen Zeitungsbericht über die Uraufführung von Thomas Hürlimanns Stück «Dr Franzos im Ybrig» vom Freitag, 9. August 1991, aus dem «Einsiedler Anzeiger» wieder zu Gemüte führen und so seine Erinnerungen etwas auffrischen. Die Premiere fand vor viel Prominenz statt, fand ein breites Medienecho und darf als Sternstunde schweizerischen Theaterschaffens bezeichnet werden. Das archaisch zu nennende Ambiente des klösterlichen Rossstalles trug viel dazu bei!

 

Im Kloster Einsiedeln entstanden

Die Urheberschaft des Stoffes ist speziell. Als junger Mönch schrieb Pater Gall Morell (1803– 1872), basierend auf einer Erzählung von Pater Meinrad Kälin aus dem Jahre 1798, in welcher die Bewohner des abgelegenen Hochtales Yberg im Kanton Schwyz den Überfall der in die Schweiz eingebrochenen Franzosen befürchten, diese sehr derbe Posse im Stil der sogenannten Gersauerstücklein 1824. Das Stück sorgte von Beginn her inner- und ausserhalb des Klosters für Furore. Pater Gall Morell gilt heute als einer der bedeutenden Mönchsgestalten in der über tausendjährigen Geschichte des Klosters Einsiedeln und war in enorm vielen Bereichen erfolgreich tätig. Nicht zuletzt pflegte er den Umgang mit den «Promis» seiner Zeit und hatte so Kontakt mit dem dänischen Märchenerzähler Hans Christian Andersen oder der ersten zeitgenössischen Bestsellerautorin, der Schwedin Fredrika Bremer. Der junge Benediktiner schrieb in seiner poetischen Sturm-und-Drang-Phase für Fasnachtsaufführungen Lustspiele für den Fraterstock, also jenen klösterlichen Bereich, der für die angehenden Klosterleute vorgesehen war und ist. In diesem Fraterstock gab es natürlich weder Bühne noch Bühnenbedarf. Aber auch dieser Mangel gab Anlass zu Poesie. Die jungen Fratres durchstöberten alle abgelegenen Räume und fahndeten nach weggeworfenen Preziosen. Morell schreibt in seinem Tagebuch. «Unsere Bettvorhänge spielten dabei eine wichtige Rolle. Das kostbare Gemälde fanden wir glücklicherweise in einer Rumpelkammer und ich malte es aus. Da wir auch einen Totenkopf brauchten, drehten wir auf dem Dachboden einer hölzernen Statue den Hals um, und wurden so wahre Ikonoklasten (Bilderstürmer).» 1895 bearbeitete der Einsiedler Schriftsteller Meinrad Lienert das Lustspiel von Pater Gall Morell und nannte es «Chevreau oder die Franzosen im Yberg». Unter der Regie von Barbara Schlumpf entstand 1996 ein Hörspiel nach dieser Vorlage für das Schweizer Radio mit bekannten Stimmen wie etwa jener von Hanspeter Müller-Drossaart oder jener von Gilles Tschudi. 

 

Die Geschichte

Die Franzosen sind in die Schweiz eingefallen. Die wacke-ren Ybrigermänner ziehen sich samt ihrem Pfarrer in die Berge zurück, um wie bei Morgarten Widerstand zu leisten. Derweil bleiben die Frauen allein und praktisch männerlos im Dorf zurück. Bis der französische Schlachtenmaler Foulon in der Region auftaucht und für erhebliche Verwirrung bei der alleingelassenen Frauenschar sorgt. Das Thema von männerlosen Gemeinschaften begegnet uns in der Literatur etwa auch beim erfolgreichen Schweizer Schriftsteller Ernst Zahn in dessen Roman «Die Frauen von Tanno». Vor allem für Meinrad Lienert war der Ybriger-Dialekt sehr wesentlich für seine Fassung des Stückes. Gemäss Regisseur Georg Suter von der Bühne66 machte man bei der aktuellen Produktion in diesem sprachlichen Bereich einige Kompromisse. «Wir spielen ja nicht in Einsiedeln.» 

 

Der Vergleich

«De Franzos im Ybrig» lautet die Affiche zur aktuellen Produktion der Bühne66 in Schwyz. «Dr Franzos im Ybrig» hatte es 1991 auf dem Plakat für die Einsiedler Uraufführung im Rossstallhof des Klosters Einsiedeln geheissen. Man hat sich in diesem Punkt in Schwyz an der Formulierung in der gedruckten Fassung von Hürlimanns Stück orientiert. Den grössten Unterschied zwischen den beiden Aufführungen machen sicher die Örtlichkeiten aus. Während man in Einsiedeln ein Freilichtspiel vor einer traumhaft passenden Kulisse aufführte, wird in Ibach im zum Theatersaal umfunktionierten Verenasaal des Pfarreiheims gespielt. Diesen Unterschied strichen mehrere Personen heraus, die sowohl in Einsiedeln als auch am Samstag in Ibach präsent waren. Jemand fand, die jetzige Aufführung sei einfach ganz anders. In Erinnerung geblieben ist für viele der Rossstallmisthaufen und die Pferdegesichter in den Fenstern im Hintergrund. Ein eklatanter Unterschied liess sich ausmachen zwischen den zahlreichen anwesenden prominenten Persönlichkeiten in Einsiedeln, die von alt Bundesrat Hans Hürlimann bis zum kürzlich verstorbenen Germanisten Peter Von Matt reichte, während man in Ibach vergeblich nach Promis ausschaute. Eine entsprechende Rückfrage ergab keinen Treffer … Und wo gab es mehr Lacher? Die Frage dürfte schwierig zu beantworten sein. Im Verenasaal wurde jedenfalls viel gelacht. Auch bei den der-ben und deftigen Passagen. Vielleicht hatte die Uraufführung in Einsiedeln gemäss meiner Erinnerung etwas mehr Dynamik. In der jetzigen Produktion wirkt das Arrangement der Personen teilweise zu statisch, wenn etwa Vierergruppen kon-sequent in einer Linie zu sehen sind. In meiner Besprechung aus dem Jahre 1991 war ich hin und weg von der Tanzeinlage der alleingelassenen Ybriger Frauen. Allein für diese Szene lohne sich der Besuch des Theaters, schrieb ich damals begeistert. Wenn auch die musikalischen Einlagen gekonnt vorgetragen werden, gäbe es in diesem Bereich noch etwas «Luft nach oben» in Ibach. Silvia Camenzind, die Pressesprecherin, erinnerte sich, dass in Einsiedeln mehr Volk auf der Bühne gewesen sei. Und der legendäre Misthaufen ist ihr ebenfalls noch präsent! Schön findet sie, dass mit der jetzigen Produktion ein neues, jüngeres Publikum erreicht werden könne. Tatsächlich sah man im Publikum viele junge Personen. Die Theaterleute von Schwyz bringen mit dieser Produktion «De Franzos im Ybrig» erfolgreich ins 21. Jahrhundert.

 

Einsiedler Anzeiger / Bruder Gerold Zenoni

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

29.04.2025

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