Bühne

Literatur

Zwischen Scharfsinn und Schabernack

Der Poetry Slam in Pfäffikon begeisterte am Mittwochabend mit klugen Worten und feinem Humor.

Die Bühne im Vögele Kultur Zentrum gehörte ganz dem gesprochenen Wort: Jeremy Chavez aus Villmergen, Marvin Suckut aus Stuttgart und Lea Rohner, die derzeit in Paris lebt, traten an. Mit viel Charme und Selbstironie führte Kilian Ziegler, einer der bekanntesten Spoken-Word-Literaten der Schweiz, durch den Abend. Die Regeln: eigene Formulierungen, keine Requisiten und innerhalb der Zeitvorgabe. Ziegler eröffnete mit einem «Sacrifice Poem», das das Publikum aufwärmte und zugleich an die hohe Wortdichte gewöhnte. «Elsa, das Huhn» befreite sich aus der «Picktatur» des Hahns, warf die Frage «Quo vadis, Huhn? Was nun?» auf und kam zu dem Schluss, dass eine echte Henne befreit und nicht «(ge)fried» sei. Obwohl er zunächst meinte, sein Werk habe keinen Bezug zur Location, ergänzte er mit schelmischem Lächeln: «Das Huhn ja auch ein Vögele.» Das Publikum lachte und applaudierte begeistert.

 

Von Arbeit, Bogen und Abschieden

In der ersten Runde präsentierten die drei Wortakrobaten Texte zu ausgewählten Kunstwerken der aktuellen Ausstellung «Arbeit: Vom Wollen, Dürfen und Müssen». Die Reihenfolge wurde vom Publikum ausgelost. Somit wurde das Pferd von hinten aufgezäumt und der Abend begann mit dem Ende des Berufslebens. «Imagine your last day of work» hiess der Beitrag von Jeremy Chavez, inspiriert von Victor Llorentes Fotoreihe über den letzten Arbeitstag. Mit Melancholie schilderte er den Moment des Aufhörens. «Wenn du am ersten Tag merkst, dass es besser dein letzter wäre, ist das kein gutes Zeichen für die nächsten 42,8 Jahre», meinte er trocken. So lange dauert nämlich ein durchschnittliches Schweizer Erwerbsleben. Er berichtete von seinen eigenen Stationen als Regionaljournalist, Lehrer, Bauarbeiter und Röntgenbild-Entsorger und meinte schmunzelnd: «Aber ich bin hier auf einer Kulturveranstaltung – da haben sicher viele ihren letzten Arbeitstag schon hinter sich.» An zweiter Stelle betrat Marvin Suckut das Auditorium. Seine Darbietung war inspiriert von Jonas Etters Werk «Quelqu’un s’occupe de mon travail», einer Skulptur aus eingescannten Todo- Listen. Als Personaler feuerte er Anforderungsfloskeln in Maschinengewehr- Kadenz ins Publikum: «Einsatz von Haaransatz bis Fingerspitzen», «Roadmaps», «Milestones» – kein Begriff blieb verschont. Er zeichnete ein Bild einer nach Hyperproduktivität lechzenden Arbeitswelt, in der sogar fensterlose Büros gefordert werden, damit alle durchgehend arbeiteten. Mit subtiler Sprache und nichtsdestotrotz auf locker-flockige Weise beschloss Lea Rohner die erste Runde. Ihr Text zu Isabelle Kriegs «Einfallstor», durch das die Ausstellungsbesuchenden hindurchgehen, führte ins Jahr 103 v. Chr. Quasi als Déformation professionnelle führte die Kunstgeschichtsstudentin einen Dialog mit einem Steinbogen im alten Rom und sinnierte über die Rolle des Schlusssteins. Dieser hielt sich – wie manche Führungskraft – für den Wichtigsten, vergass aber die Tragenden darunter. «Wenn die Konstruktion fällt, ist die Fallhöhe des Schlusssteins am höchsten», konstatierte sie. Nach der ersten Runde nutzten viele Gäste beim Apéro die Gelegenheit, sich mit den Kleinkünstlern auszutauschen.

 

Geprägt von dichterischer Vielfalt

In der zweiten Runde wählten die Poeten eigene Themen. Chavez überraschte mit einem Gedankenspiel über den Amtszwang in der Schweiz. Er stellte sich vor, zum Bundesrat berufen zu werden, weil die Mitte keine Nachfolge für Viola Amherd gefunden habe. Humorvoll entwarf er das Bild einer Bundesrats-WG: Rösti wischt nur seinen Staub, Cassis pflegt den Garten, Keller-Sutter poliert die Kaffeemaschine und Berset wird für Trinkspiele und Techno vermisst. Einen abrupten Perspektivwechsel nahm Suckut vor. Seine ursprünglich für einen Erotik-Slam geschriebene Beinahe-Romanze handelte von einem Paar unter einer Eiche – bis plötzlich eine Wespenhorde der Amour fou ein jähes Ende bescherte. Sein Vortrag war rhythmisch, pulsierend, fesselnd. Den Schlusspunkt setzte Rohner mit «Ein Spaziergang oder ich bin kein Schwan». Nachdenklich sprach sie über die Frage «Was magst du an dir?», erzählte vom Hinterfragen von Small-talk und dem Traum, ein Schwan auf dem Zürichsee zu sein – bewundert von allen, aber in Ruhe gelassen. Der Applaus entschied: Hauchdünn gewann Marvin Suckut. Er nahm die Siegerflasche Whiskey lachend entgegen und bat die Anwesenden direkt, mit ihm anzustossen: «Sonst muss ich den noch verzollen, wenn ich morgen heim nach Deutschland fahre.» Beim anschliessenden Ausstellungsbesuch klang der Abend gemütlich aus.

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Micha Brandstetter

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne
  • Literatur

Publiziert am

09.05.2025

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