War bisher selbstverständlich, plötzlich stand die Herstellung von Traditionsmasken jedoch in Gefahr.
War bisher selbstverständlich, plötzlich stand die Herstellung von Traditionsmasken jedoch in Gefahr.
Ausgerechnet in der Zeit der Geschäftsübergabe von den Corona-Einbussen erwischt: Verena Steiger (links) wird das Maskenatelier an ihre Tochter Susan Steiger übergeben. Bilder Josias Clavadetscher
Ausgerechnet in der Zeit der Geschäftsübergabe von den Corona-Einbussen erwischt: Verena Steiger (links) wird das Maskenatelier an ihre Tochter Susan Steiger übergeben. Bilder Josias Clavadetscher

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Rettung für wichtiges Maskenatelier

Wegen Corona ist das Maskenatelier Steiger in Steinen in Bedrängnis geraten – nun engagieren sich die Fasnächtler.

Man weiss es: Corona hat die Fasnacht bös in Bedrängnis gebracht. Anlässe sind bereits zum zweiten Mal nicht möglich, die Strassenfasnacht läuft auf absoluter Sparflamme, Umzüge sind gar nicht möglich, und höchstens vereinzelt wagen sich Maschgraden auf die Strasse. Die Fasnachtsvereine sind also weitgehend lahmgelegt. Das heisst aber auch, dass es keine Masken braucht. Davon betroffen ist das Maskenatelier Steiger in Steinen. Der Absatz und der Umsatz sind total eingebrochen, das Atelier ist ins Schlingern geraten. Ausgerechnet in dem Moment, als Verena Steiger nach 40 Jahren den Betrieb an ihre Tochter Susan übergeben wollte. Susan Steiger ist ausgebildete Primarlehrerin, hat an der Zürcher Hochschule der Künste den Bachelor und Master in Fine Arts (Bildende Kunst) erlangt und ist bereit, die Tradition dieser Maskenherstellung weiterzuführen. Im Jahr 2020 konnte das Atelier noch im gewohnten Umfang Masken ausliefern, weil überall die Rotten unterwegs und die Fasnacht im Schwung waren. 2021 aber blieben die Bestellungen logischerweise aus, und entgegen allen Erwartungen passiert dies nun ebenso in der Fasnacht 2022. Der Betriebsausfall ist enorm, das Atelier ist in Gefahr geraten und mit ihm der ganze Bestand von rund 430 Maskenformen.

Keine staatliche Unterstützung


Mit dieser Situation fühlte sich Verena Steiger echt am Anschlag. Es herrschte grosse Ungewissheit. Bis September 2021 wurde Steiger Masken noch sporadisch durch kleinere Beiträge aus Corona- Geldern unterstützt. Damit ist es jetzt vorbei. Weil die Maskenherstellung «gemäss Covid-19-Kulturverordnung explizit nicht als Teil des Kultursektors » eingestuft wird, gibt es keine Bundes- oder Kantonshilfe mehr. Der Umsatzeinbruch sei auch nicht eine direkte Folge der verordneten Massnahmen, wird etwas gar gesucht argumentiert. Kontakte mit Maskenherstellern in der Fasnachtshochburg Basel – welche die gleichen Probleme hatten – haben Verena und Susan Steiger dann dazu bewogen, den Schritt nach vorne zu machen. «Ihr müsst mit eurem Problem raus», hiess es dort. Es gehe nicht um die Rettung eines Kleinbetriebs, sondern um ein Kulturgut. Im Gespräch mit den Schwyzer Nüsslern hat man sich im Atelier Steiger dann dazu entschlossen, sich mit einem Appell an die Fasnächtler, die Öffentlichkeit und an einige Firmen zu richten. Die Schwyzer Nüssler haben dieses Rundschreiben sogar an alle ihre tausend Mitglieder verschickt.

Echo ist sehr erfreulich


Die Fasnachtsvereine, welche die traditionellen Masken für ihr Brauchtum benötigen, haben hervorragend reagiert. «Ich bin tief beeindruckt von diesem Rückhalt in der Fasnachtsszene», strahlte Verena Steiger. Es gehen laufend Beiträge ein, grössere und kleinere. Und viele mit Bemerkungen wie «hoffentlich klappts», «vielen Dank für die Arbeit» oder «es ist wichtig, dass dieses Kulturgut erhalten bleibt». Die Fasnachtsgesellschaft Steinen hat einen Beitrag gesprochen, die Schwyzer Nüssler haben einen Beitrag zuhanden der nächsten GV traktandiert, und die Nüsslergesellschaft Brunnen-Ingenbohl wird mit dem Maskenatelier besprechen, wie man es unterstützen könnte. Und viele Private haben Beiträge überwiesen. Völlig überrascht waren Verena und Susan Steiger, als plötzlich vor dem Haus an der Steiner Bahnhofstrasse der Narrentanz zu hören war. Draussen stand eine kleine Rott der Seebner Nüssler. Sie hat den Beitrag gleich selber und nüsselnd überbracht. Im Rundschreiben ist von «mindestens 35000 Franken» die Rede, um das Atelier weiterführen und die Produktion sichern zu können. Ein Teil ist bereits eingegangen, für den Rest ist man optimistisch. Auch mit der Kantonalen Kulturkommission sind noch Gespräche angesetzt. Dort wird es darum gehen, dass die vorhandenen Maskenformen für diese Maskenherstellung ein Kulturgut von nationaler Bedeutung sind, das erhalten werden muss. Und zwar ein Kulturgut, das nicht im Museum oder im Fundus liegt, sondern das lebt. Es ist ohnehin geplant, dass die bisherige Einzelfirma Steiger Masken auf neue Beine gestellt wird, indem die Geschäftsform ändert. Auch kann man sich vorstellen, dass sich genügend Maskenliebhaber und Fasnachtsfreunde finden lassen, welche zusammen das Atelier nachhaltig unterstützen und so eine institutionalisierte Basis bilden.


Nationales Kulturgut


Das Maskenatelier Steiger kann eine über 150-jährige Geschichte vorweisen. Die Anfänge liegen in Einsiedeln, wo Adelrich Oechslin Wachsmasken herstellte (1869) und in seiner Garderobe verkaufte. 1908 wurde dieses Atelier mit den vorhandenen Modellen nach St.Gallen verkauft und kam später nach Speicher zu Friedrich Müller. 1974 wurde diese Maskenfabrik Müller durch die Schappespinnerei Camenzind & Co. übernommen, die Produktion wurde nach Gersau verlegt. Dort haben Thomas und Verena Steiger das Unternehmen 1982 übernommen. 1989 wurde der Betrieb dann an den heutigen Standort in Steinen verlegt, und aus der «Fabrik» wurde ein Atelier. Masken Steiger ist heute das einzige Atelier europaweit, das noch professionell die traditionellen Wachsmasken herstellt, sogenannte Bergamasker- Larven oder Pariser-Larven. Sie finden in den Fasnachtstraditionen der Innerschwyzer Gemeinden und von Gersau, in Basel, Urnäsch, Amsteg, Meiringen, Unterägeri, Oberägeri, Einsiedeln, Sattel und Rothenthurm Verwendung. Die verwendeten Modelle stammen zum Teil aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Bote der Urschweiz / Josias Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Brauchtum / Feste
  • Dies & Das

Publiziert am

25.01.2022

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