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Literatur
«Rotstrumpf» und Schreiberin im Alter: Isolde Schaad
Der Fram-Club gab ein interessantes und kurzweiliges Stelldichein mit der Journalistin und Schriftstellerin Isolde Schaad. Sie erzählte von ihrem Werdegang als emanzipierte Frau, das Schreiben und das Alter – ungeschminkt und mit viel Selbstironie.
Isolde Schaad gehört zu den renommiertesten Schweizer Journalistinnen und Schriftstellerinnen. Das ist klingt heute normal und selbstverständlich, war es aber noch gar nicht in der Mädchen- Frauen-Generation, der sie angehörte. Der «Rotstrumpf – das Buch für Mädchen», das sie vor fünfzig Jahren zusammen mit ihrer Kollegin Hedi Wyss im Benziger Verlag herausgegeben hat, war darum der richtige Einstieg für das Fram-Club-Gespräch mit Walter Kälin am vergangenen Donnerstag. Der Mädchen-Jahrgang 1944 trägt damals noch ganz selbstverständlich Strümpfe und hat-te noch keineswegs «die Hosen an». Emanzipierte Frauen mit einer Hochschulausbildung und im Journalistenberuf sind die grosse Ausnahme. Dieses Privileg verdankt Schaad in erster Linie der aufgeschlossenen Einstellung ihrer Eltern. Ihre Mutter verliert sie früh, zum Vater, dem surrealistischen Schaffhauser Kunstmaler und Zeichenlehrer, hat sie ein gutes, wenn auch komplexes Verhältnis. Doch so liberal dieser auch ist, besteht er jedoch auf einer soliden Lehrerinnen-Ausbildung für die Tochter, anstelle ihres Traums, Bühnenbildnerin zu werden. Doch Schaads «Schulzeit» währt nicht lange – zwar habe sie die Kinder gern gehabt, aber die spiessige Sozialkontrolle, der die Frauen damals unterworfen gewesen seien, habe sie gestört. «Jede Woche sind besorgte Mütter im Unterricht aufgetaucht, um zu kontrollieren, ob der Rock der Lehrerin ein paar Zentimeter kürzer oder länger geworden war», erzählte sie schmunzelnd.
Wider die gesellschaftlichen (Frauen-)Zwänge
Schaad studiert Kunstgeschichte, Publizistik und Ethnologie in Zürich und Cambridge und beginnt als Werkstudentin für verschiedene Zeitungen und Magazine zu schreiben. Bis 1974 ist sie Kulturredaktorin bei der Weltwoche, dann wird sie freie Journalistin. 1975 erscheint der erste Band des «Rotstrumpfs» beim Benziger Verlag, aus dem Schaad einige Kostproben gab. In sarkastischem Ton beschreibt «das Buch für Mädchen» schon damals, wie die Gesellschaft den Frauen ihre Schönheitsideale aufzwingt. So sind die weiblichen Oberschenkel, Busen und Hintern entweder zu gross oder zu klein, zu dick oder zu dünn, so dass die Mädchen schon früh in lebenslängliche «Frusthaufen» verwandelt werden. Trotz des positiven gesellschaftlichen Wandels für die Frauen sprach Schaad ernüchtert davon, wie die Eleganz heute zum «Fremdwort» geworden sei und sich die Frauen stattdessen in weisse Turnschuhe, Trainingsanzüge und Strickmützen kleideten. Und obwohl sich Schaad als Achtundsechzigerin stark für die Frauenbewegung eingesetzt hat, verwehrt sie sich heute im Alter dagegen einmal in der Kategorie der «weissen, alten Frau» im «Zoo der Gender-Konjunktur» zu landen.
Glaube an die Technik und an eine bessere Welt
Schaad beneidet die heutige Generation nicht. «Man glaubte damals noch an eine bessere Welt und war sehr technikgläubig», erklärte sie dem Fram-Publikum. Niemand habe damals geahnt, dass die Welt einmal vom Klimawandel bedroht würde. Niemals zuvor sei die Weltlage so düster gewesen wie heute. Manchmal mache sie das wütend, wobei die Wut auch ein sehr guter Antrieb zum Schreiben sein könne. Als freie Journalistin und Kunsthistorikerin schreibt Schaad für viele renommierte Publikationen, wie das «Du» oder die «NZZ am Wochenende». In den Siebziger- bis Neunzigerjahren habe man als freie Journalistin gut verdient, heute hingegen seien die Bedingungen sehr schwierig, stellte sie fest.
Selbstkritische Gesellschaftsbetrachterin
Als Gesellschaftsbetrachterin ist sie sich selbst gegenüber stets treu und kritisch geblieben. Das wird in ihrem jüngsten Buch «Das Schweigen der Agenda – Geschichten vom Innehalten und Aufhören» klar, in dem sie das Alter und das Altern beschreibt. Die Texte spiegeln die Stimmungsschwankungen einer alternden Frau. Mal konstatiert Schaad den körperlichen Zerfall und die wachsende Isolation. Das Aufhören und die gesellschaftliche «Ausmusterung» sind bittere Pillen des Alterns. Dann macht sie sich wieder über die zunehmende «Faulheit» lustig, die sie sogar davon abhält, sich über gewisse Dinge zu ärgern. Sie fände es gut, wenn man sich früh mit dem «unangenehmen Teil des Lebens» befasse, meinte sie. Dabei erwähnte sie, dass sie bereits zum dritten Mal ein neues Testament verfasst habe. Alles verändere sich, auch die Beziehung zu den nächsten Menschen. Im Übrigen sei sie nun zu faul, wieder eine Neufassung zu schreiben.
Das Schreiben – die Konstante
Nur eines ändert sich nicht für Schaad: Das tägliche Schreiben ist die rettende Konstante. Sie wolle unbedingt weiterschreiben, aber nicht mehr alles publizieren, meinte Schaad dazu. Während man früher noch an das Genie der Schriftstellerinnen und Schriftsteller und an deren höheren Status geglaubt habe, so sei das Schreiben heute niederschwelliger geworden. Selbst 19-Jährige könnten heute einen Kurs in kreativem Schreiben besuchen und sich danach Schriftstellerinnen nennen. Sie fände es gut, dass auf diese Weise das Schreibhandwerk erlernt werden könne, nur sei es eine andere Frage, ob jemand auch etwas zu sagen habe. Zum Schluss kam Schaad nochmals auf das Alter zu sprechen und auf das Paradox, dass alte Menschen einerseits mit mehr Respekt behandelt würden als früher, im Alltag jedoch für viele «unsichtbar» seien. Doch dafür habe sie das Privileg einer «Tarnkappe» und könne getrost die Gesellschaft weiter beobachten », schloss sie wiederum mit einem Augenzwinkern.
Einsiedler Anzeiger / Eugen von Arb
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