Autor Werner Röllin: Hat über Jahrzehnte das Brauchleben beobachtet und die Veränderungen aufgezeichnet. Bild Josias Clavadetscher
Autor Werner Röllin: Hat über Jahrzehnte das Brauchleben beobachtet und die Veränderungen aufgezeichnet. Bild Josias Clavadetscher

Literatur

Brauch muss gebraucht werden

Wann ist ein Brauch schon ein Brauch, wodurch wird er gefährdet, und wann wird er zur blossen Folklore? Solchen Fragen und dem «Umbruch im Brauchleben» geht Volkskundler Werner Röllin in einer Publikation nach, die gestern vorgestellt worden ist.

Über das Brauchtum – Werner Röllin bevorzugt den Begriff Brauchleben – ist schon so viel Unsinn erzählt und Bedeutung hinein interpretiert worden, dass es auf keine Kuhhaut geht. Wobei die Definitionen durchaus schwierig und die Volkskunde eine «exotische Wissenschaft» sei, wie Röllin erklärte. Eine Art Eiche in diesem Wald soll nun das Buch «Umbruch im Brauchleben» bilden, das gestern Abend an der Vernissage im Fischbach-Theater in Küssnacht vorgestellt worden ist.

Gefahren und Tendenzen zeigen

Herausgeber Andreas Iten, Unterägeri, sieht diese Publikation perfekt in die Reihe «Innerschweiz auf dem Weg ins Heute» eingebettet. In diesem vierten Band gehe es um den Wandel von Sitte und Brauchtum, um dasAufzeigen von Gefahren und Tendenzen, denen das Brauchleben unterworfen sei. Es werde Fragen nachgegangen, ob das Brauchleben ebenfalls der Sinn-Entleerung ausgesetzt sei, ob Kommerz, Folklorismus oder neu die Globalisierung ihm den Boden entziehen können. Röllin habe hier «keine umfassende Monographie» erstellen können, erklärte Iten, sondern zeige aus persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen subtil auf, wo und wie sich das Brauchleben der Innerschweiz verändert hat. Mit dem 72-jährigen Autor Werner Röllin,Wollerau, hat sich ein absoluter Kenner dieser Frage angenommen. Über Jahrzehnte hinweg hat Röllin das Brauchtumsleben und insbesondere das Winter- und Fasnachtsbrauchtum in direktem Kontakt miterlebt und aus Distanz beurteilt. Rölllin hat Geschichte, Germanistik und Volkskunde studiert und sich neben seiner beruflichen Tätigkeit – er war Leiter der Schweizer Schule in Barcelona und Direktor des Berufsbildungszentrums Winterthur – immer intensiv mit dem Brauchleben befasst. Röllin zeichnet sich durch eine hervorragende Beobachtungsgabe aus. Als einer der wenigen Fachleute kann er Erscheinungsformen und deren Veränderungen erkennen, deuten und einordnen.

Chlausjagen wird zu gigantisch

In einem Podiumsgespräch zeigte sich dies deutlich. Röllin ist zum Beispiel der Ansicht, dass es zwar viel Literatur zum Brauchleben gibt, aber wenige Publikationen, welche «in die Tiefe gehen». Gefahren für das Brauchleben sieht er auch im Gigantismus, der bei einzelnen Bräuchen massiv um sich greife und damit die Identitätsfindung und Gemeinschaftsbildung verunmögliche. Als typisch dafür zitierte er gleich vor Ort das Chlausjagen in Küssnacht. Oder dann nannte er Beispiele, wie als Folge des Priestermangels und unbesetzter Pfarrstellen eine ganze kirchliche Brauchtumskultur mit ihrer grossen Symbolik sehr schnell verloren gehe. Auch die Zentralschweiz als Ganzes drohe sich soziodemografisch zu verändern, das kollektive Bewusstsein gehe verloren.

Nächster Band über Blunschy

Die Buchreihe wird von der Albert Koechlin Stiftung herausgegeben, um die Aufbruchstimmung, die vor 50 Jahren in der Zentralschweiz eingesetzt hat, zu beleuchten. Der nächste Band ist der Schwyzer Politikerin Elisabeth Blunschy gewidmet, der übernächste dem Wandel in der Musikszene. Bereits erschienen sind Bände über die christliche Spiritualität, über die Sprachsuche in der Region und über die Victorinox.

Werner Röllin,
«Umbruch im Brauchleben»

Herausgegeben als Band 4 in der Buchreihe «Innerschweiz auf dem Weg ins Heute» der Albert Koechlin Stiftung.

Erhältlich in Buchhandlungen oder direkt bei der Stiftung: mail@aks-stiftung.ch

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

25.03.2010

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