Andreas Thiel: «Dass die meisten meiner Künstlerfreunde links sind, hat mich ja auch nie gestört.» Bild: PD
Andreas Thiel: «Dass die meisten meiner Künstlerfreunde links sind, hat mich ja auch nie gestört.» Bild: PD

Bühne

«Jemand musste ja mal die Wahrheit über dieses Buch sagen»

Seit seiner Korankritik in der «Weltwoche» lebt der Politsatiriker Andreas Thiel gefährlich. Seit ihn Roger Schawinski auch noch als Rassisten diffamierte, wird er von der linken Kulturszene gemieden. Heute Abend tritt er im Chupferturm auf.

Mit Andreas Thiel sprach Franz Steinegger*

Franz Steinegger: Früher hatten Sie fünf bis sechs Auftritte als Satiriker pro Woche. Seit Sie in der «Weltwoche» öffentlich den Koran kritisiert haben, ist es nicht einmal mehr die Hälfte. Von welcher Szene werden Sie gemieden?

Andreas Thiel: Offensichtlich von Menschen, die Redeverbote einführen wollen.

Verstehen Sie die Kritik?

Wenn einem das, was ich sage, nicht gefällt, kann er ja einfach nicht zur Vorstellung kommen. Hassbriefe und Drohungen hingegen sind unzivilisiert.

Was kritisieren Sie an dieser Kritik?

Die Gewaltbereitschaft.

Eigentlich haben Sie ja mal gesagt, dass Sie deswegen von der Bühne zurücktreten. Jetzt kommen Sie nach Schwyz. Ist das der Rücktritt vom Rücktritt oder der letzte Auftritt?

Tourneepläne werden bis zu drei Jahre im Voraus gemacht. Ich spiele mein aktuelles Programm noch, wo es geht. Ein neues ist nicht geplant. Falls ich eines Tages ein neues Bühnenprogramm planen sollte, würde es von da an mindestens drei Jahre dauern bis zur Premiere.

Von wem werden Sie noch eingeladen?

Das ist ganz unterschiedlich. Aber es sind zu wenige Spielstätten für ein neues Programm.

Was hat sich in Ihrem Leben seither verändert?

Ich habe einen viel besseren Draht zur Polizei.

Wenn Sie gewusst hätten, wie es herauskommt, würden Sie diesen korankritischen Essay nochmals schreiben?

Natürlich, irgendjemand musste ja mal die Wahrheit über dieses Buch sagen. Die Islamwissenschaftler, deren Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, haben sich ja nicht getraut, den Elefanten im Raum anzusprechen.

Warum?

Jeder wusste, dass er um sein Leben würde fürchten müssen.

Erhielten Sie Drohungen?

Das volle Programm.

Aus welchen Kreisen?

Aus muslimischen. Das hatte ich erwartet. Dann lustigerweise aus Kreisen mit medizinisch verbrieften Hirnschäden – das sind die weniger Gefährlichen – und aus linken Kreisen. Das hatte ich nicht erwartet, sind doch viele meiner Künstlerfreunde links, was mich ja auch nie gestört hat.

Werden Sie immer noch bedroht?

Im Moment konzentrieren sich meine anonymen Widersacher auf Beschimpfungen und Diffamierungen.

Wie gehen Sie damit um?

Wer nicht damit gerechnet hat, dass sich auf dieser Welt viele gewaltbereite Menschen tummeln, hat noch nie eine Zeitung in den Händen gehabt.

Treffen Sie Vorsichtsmassnahmen?

Ich habe durch die Turbulenzen nach «Charlie Hebdo» grosses Vertrauen in die Kriminalpolizei gewonnen. Im Bedrohungsfall ist die da, bevor man Angst hat.

Lebt man als Satiriker, der an den echten Tabus rüttelt, gefährlich?

Offensichtlich. Und das im 21. Jahrhundert. Wer hätte das gedacht?

Sie wurden an Aufführungen auch schon mit Eiern beworfen. Ist das lustig?

Irgendwie schon. Es zwingt einen zum Improvisieren.

Wie gehen Sie damit um?

Ich nehms mit Humor und mach ein paar Sprüche darüber; etwa dass es eine Frechheit sei, einen Vegetarier mit Hühnerföten zu bewerfen. Tomaten hätten es auch getan.

Muss ich um mein Leben fürchten, wenn ich Ihre Vorstellung in Schwyz anschauen komme?

Nein. Die Vorstellungen werden seit über einem Jahr nicht mehr bedroht.

Wovon lebt der geschmähte Satiriker Andreas Thiel künftig? Können Sie vom Kolumnenschreiben leben?

Das reicht dann doch nicht ganz. Aber ich arbeite an einer Kinokomödie. Wir gründen gerade eine unabhängige Film-AG. Die Hälfte der Aktionäre haben wir schon beisammen.

Was halten Sie von den Schwyzern?

Die Freiheitsliebe behagt mir sehr.

Fühlen Sie sich im Dorf und in Ihrer Nachbarschaft gut aufgehoben oder müssen Sie völlig zurückgezogen leben?

Ich bin sehr gut aufgehoben im Dorf.

Was gefällt Ihnen am Kanton Schwyz besser? Der verbreitete Spareifer, die Tiefsteuerpolitik oder doch die landschaftlichen Schönheiten?

Das Ganze ist eine zukunftsträchtige Mischung.

Wie sind Sie allgemein mit der Schweizer und Schwyzer Kulturpolitik zufrieden?

Die Schwyzer Kulturpolitik kenne ich noch zu wenig. Aber auf nationaler Ebene wird die Kunst bis zur Lethargie kaputtsubventioniert.

 

Reizfigur

Andreas Thiel wurde 1971 in Bern geboren. Schon als Gymnasiast in Solothurn fiel er durch seine Respektlosigkeit und überbordende Fantasie auf. Seit 1997 ist Thiel mit diversen literarischen und politischen Bühnenprogrammen unterwegs. Er heimste dafür verschiedene Preise ein, unter anderen den renommierten Salzburger Stier, den Schweizer Kleinkunstpreis oder den Deutschen Kabarettpreis. Einen tiefen Einschnitt in seiner Bühnenkarriere löste sein korankritischer Essay im November 2014 in der «Weltwoche» aus. Er habe diesen Beitrag Experten vorgelegt, am Ende habe nur noch die Political Correctness gegen eine Veröffentlichung gesprochen. Hassbriefe und Drohungen waren die Folge. Heute lebt Thiel an einem unbekannten Ort im Kanton Schwyz. «Richtig übel wurde es jedoch erst, als Roger Schawinski behauptete, ich sei ein Rassist», sagte er kürzlich in einem Interview mit der «Basler Zeitung», was absolut nicht stimme. Das habe die Linken mobilisiert. Seither werde er von der links beherrschten Kulturszene gemieden. Er wurde ausgeladen, die Bühnenauftritte wurden seltener. Das jetzige Programm «Humor», das er heute Abend im Chupferturm aufführt, sei sein vorläufig letztes. Es ist ein wortgewandtes Plädoyer für Denkfreiheit von einem, der sich durch niemanden den Mund verbieten lässt. Er arbeitet derzeit an einem Drehbuch zu einem Film, der ohne Subventionen produziert wird.

*Hinweis: Das Interview wurde schriftlich per E-Mail geführt.

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

03.03.2018

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