Bühne
Mit Faust in die Clubszene geraten
«Faust» an einer Mittelschule ist gewöhnlich Literaturunterricht. Im Kollegi Schwyz gibt es den Goethe- Klassiker nun als Bühnenstück. Das ist mutig und faszinierend zugleich.
Deutschlehrer, Autor und Theaterleiter Klaus Opilik betitelt «seinen» «Faust» nicht als Interpretation des Literatur- und Bühnenklassikers, sondern als «Faustprojekt». Der Text ist komplett neu, die Figuren und Schauplätze jedoch mehrheitlich aus dem Original, und auch die zentralen Zitate kommen in Versform daher.
Teuflisch verführerischer Mephisto
Und so ist «Augenblick, verweile doch» des Kollegitheaters unverkennbar «Faust». Die Titelfigur ist aber kein mit sich hadernder Gelehrter, sondern ein verunsicherter Jugendlicher (Noah Beeler). Unddieser tut sich schwer imheutigen Umfeld. Schönheitswahn, Körperkult, Medientrash und Schul- und (erster) Liebesstress. Und dann noch das stupide Gehabe im Ausgang. Die Jungs wollen cool, die Mädchen schlank und hübsch sein. Da kommt Mephisto (Tobias Wiget) mit seinen assistierenden Gespielinnen (Nabila Bittar, Sara Rodrigues, Mia Willi und Angela Wyss) gerade recht. Sein Auftritt als Rockstar im Designeranzug und der Stones-Hymne «Sympathy for the Devil» macht alle platt. Der einnehmende Charme und die zünftige Portion Eloquenz verzaubert die Jugendlichen im Club, der ganz offensichtlich Auerbachs Keller aus Goethes Original ist. Auch Faust kann sichMephisto nicht entziehen, geht den folgen schweren Pakt ein und lässt sich auch bei seinen Liebesavancen anGretchen (MilenaNigg) unfein unterstützen.
Opulentes Gesamtwerk
Mit all diesen Interpretationen des Originals in die Szenerie der heutigen Jugend gesetzt, gelingt dem Kollegitheater Schwyz unter der Regie von Klaus Opilik und Georg Suter, der die Mundartfassung schrieb, ein ganz feines Stück ambitioniertes Schultheater. Das Bühnenbild (Nadja Müller) im neofarbigen Bar-Dekor ist auf dieseWeise aufs Wesentliche reduziert, sodass dem Ensemble viel Raum bleibt. Und dieses nützt die Szenen mit seinem mutigen und energiegeladenen Spiel, mit Tanzund Gesangsszenen und den tollen Kostümen grossartig aus. Überhaupt ist der witzige und überlegte Einsatz der Musik (Michael Schlüssel) ein zentrales Element im Stück. Wenn die Jugendlichen sich über den Fitnesskult, die Vegetarier oder den Schönheitswahn auslassen und Faust gleichzeitig modisch aufgepeppt wird, spielt das Ensemble Christina Aguileras «I’m so beautiful». Ganz toll auch der witzige Liebesreigen der Jugendlichen inklusive Faust und Gretchen. Das Kollegitheater verlangt den Schülerinnen und Schülern viel ab. Die Gemeinschaftsproduktion zusammen mit den Lehrern und Ehemaligen ist aber zweifellos ein Höhepunkt im Kollegi und dürfte den meisten ewig in Erinnerung bleiben. Und die Standing Ovation an der Premiere vom Freitag war mehr als verdient.
Bote der Urschweiz (Roger Bürgler)
Autor
Bote der Urschweiz
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