In verschiedenen Rollen unterwegs: Klara (Annette Windlin) im Stück Stosszeit.
In verschiedenen Rollen unterwegs: Klara (Annette Windlin) im Stück Stosszeit.

Bühne

Stosszeit – oder ist Pendeln Wahnsinn?

Wer befasst sich schon mit Pendlern, wenn nicht sie sich mit sich selbst. Vielleicht noch die Transportanbieter – und noch jemand: die wortgewaltige Luzernerin Gisela Widmer.

Ihre träfen Texte verfehlen jeweils ihre Wirkung nicht. Nicht die scheinbare Oberflächlichkeit, sondern Tiefgründigkeit steckt dahinter. Sie hat unter dem Titel «Stosszeit» eine komische Pendlerballade geschrieben, und die bekannte Schauspielerin Annette Windlin hat sich ihrer angenommen. Unter der Regie von Dominique Müller hat sie diese Ballade auf die Bühne gebracht und an verschiedenen Orten aufgeführt. So am Samstagabend auch im Kollegi Schwyz.

Eindrucksvoll und überzeugend

Es war eine Aufführung, wie man sich noch so manche wünschen würde. Sehr eindrucksvoll hat sie die verschiedenen Rollen überzeugend gespielt. Sie hat nicht nur die Schauspielausbildung genossen, sondern auch der Einfluss der Dimitrischule hat ihr Wirken beeinflusst. Das ganze Stück lebt auch mit der subtilen Begleitmusik von Christian Wallner. Einen anderen Blickwinkel Als Klara ist sie in Pendlerzügen mit der Minibar unterwegs. Und man nimmt ihr wirklich ab, dass sie ihre Kunden liebt. Das obwohl sie oft am Morgen noch schlafen oder auf der Heimfahrt müde und gestresst sind. Aber oft kommt wohl kaum Kontakt zustande, weil die Ohren der Fahrgäste mit Kopfhörern zugepfropft sind. Was Klara aber fehlt, ist das Selbstwertgefühl, und da kommt einer gerade recht, der ihr ein besseres Leben vorgaukelt. Und tatsächlich macht sie einen Abstecher in eine Bauchtanzshow und wird dadurch berühmt. Aber es ist halt doch nicht ihr Leben, und sie fährt jeden Tag weiter als Stewardess. Sie hat aber einen anderen Blickwinkel erhalten und sieht den ganzen Pendlerwahnsinn mit seiner Hektik und dem Zeitverschleiss. Und richtigerweise stellt Klara fest, dass man das umkehren müsste. Bevor das aber möglich ist, muss zuerst angehalten werden, und so kommt es dazu, dass sie die Notbremse zieht.

Das Leben lieben, wie es ist

Das Resultat ist mehr als ernüchternd. Ihre Aktion wird von niemandem verstanden, und so verliert sie ihren Job, der auch ihr Lebensinhalt war. Lebensmüde landet sie in der Psychiatrie und schliesslich an einemArbeitsplatz, der denselben Leerlauf beinhaltet, wie ihn vorher wohl schon ihre Kunden tagtäglich erlebten. Als Schlussfazit stellt Klara fest, dass man das Leben so leben und lieben sollte, wie es ist und nicht wie es sein könnte. Es darf ruhig festgestellt werden, dass die Aufführung eine Spitzenleistung war. 80 Minuten ohne Pause und das Schlüpfen in die verschiedensten Rollen und nicht zuletzt Action auf der Bühne hatten Annette Windlin und ihr musikalischer Begleiter Christian Wallner mit Bravour gemeistert. DasThema, aktueller denn je, müsste eigentlich zu einer grossen Diskussion über das Pendeln führen.

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

05.03.2012

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