Subjektivität bis zum Suizid: «Werther» parodierte am Montag die heutige Gesellschaft. Bild Tobias von Rickenbach
Subjektivität bis zum Suizid: «Werther» parodierte am Montag die heutige Gesellschaft. Bild Tobias von Rickenbach

Bühne

Wenn Leidenschaft Leiden schafft

Im Rahmen der «Kultur an der KKS» gastierte am Montag das Zürcher Theater am Neumarkt mit einer Produktion in Schwyz. Aufgeführt wurde ein Klassiker in zeitgenössischer Form: Goethes «Die Leiden des jungen Werther».

Johann Wolfgang von Goethes «Werther» aus dem Jahre 1774 ist ein Loblied auf die Subjektivität. Er gilt als erster moderner Roman, in welchem die unerwiderte Liebe Werthers zu Lotte letztlich im Selbstmord endet. So auch in der in Zürich erfolgreichen Inszenierung des Theaters am Neumarkt in Zusammenarbeit mit dem Lausanner Théâtre Vidy: Das eigene Selbstbild spielt eine zentrale Rolle. Die Produktion unter der Regie von Anna-Sophie Mahler lehnt sich am Original an, findet aber gleichzeitig mit einer modernen Ausdrucksform (Mix aus Sprache, Gesang und Musik) den Weg zu einem jungen Publikum. Die fünf Schauspieler (zwei Frauen, drei Männer) übernahmen abwechselnd die Rolle des Werther. Sie stürmten und drängten im Kreis herum, als Symbol des Teufelskreises aus Selbstmitleid und Selbstinszenierung, in dem sich der Protagonist bewegt. Die – teils elektronische – Musik machte deutlich, dass es um Werthers Wohlbefinden nicht zum Besten steht. Auch die Bühneninstallationen unterstrichen dies: Ein riesiger Spiegel war zu sehen. Die Videokamera, mit der sich Werther filmte, hatte auch nur den Zweck, seine Lust am Leiden zu zeigen.

Wie eine Parodie

Dort liegt offensichtlich auch das Erfolgsgeheimnis der Inszenierung: Trotz der vielen Originalpassagen wirkte «Werther» am Montag wie eine Parodie und zog Parallelen zur Gesellschaft der Gegenwart mit ihrem Mitteilungsdrang im Internet. Das überwiegend junge Publikum honorierte dies mit schallendem Gelächter. Nur am Schluss schien den anwesenden Schülern das Lachen im Halse stecken zu bleiben: Die Schauspieler hatten ihre Perücken abgenommen und interpretierten «Werther » wie im Klassenzimmer. Am Schluss blieb die auf Französisch formulierte Frage in der «Kollegi»-Aula stehen: Was war zum Schluss Werthers Problem? Sie wurde wohl nicht beantwortet, damit die vier anwesenden Klassen mit ihren Lehrern auch noch etwas zu tun haben werden.

Bote der Urschweiz

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Bote der Urschweiz

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  • Bühne

Publiziert am

04.11.2009

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