Historikerin Martina Kälin: Im Stil der eidgenössischen Verwaltungsbauten wurde das erste Postgebäude in Schwyz erstellt. Bild: Josias Clavadetscher
Historikerin Martina Kälin: Im Stil der eidgenössischen Verwaltungsbauten wurde das erste Postgebäude in Schwyz erstellt. Bild: Josias Clavadetscher

Dies & Das

Der Reding-Giebel – eine Schwyzer Erfindung

Die Ital-Reding-Stiftung bietet wieder historische Abendspaziergänge an.

Sie sind beliebt, sogar bei Regen – wie diesmal beim Start. Diese historischen Abendspaziergänge, welche die Stiftung Ital-Reding-Haus in einem regelmässigen Turnus anbietet, interessieren ein spezifisches Publikum. Dieses Jahr befassen sie sich mit dem Thema «Vom Heimatstil in die Moderne», wozu es im Zentrum von Schwyz einiges aus dem 20. Jahrhundert zu sehen gibt. Der Start in die diesjährige Saison machte Historikerin Martina Kälin. Zwei weitere Abende werden folgen. Der Rundgang setzt am Ende des 19. Jahrhunderts an, als Schwyz nach dem Schock der Sonderbund-Niederlage langsam erwachte und seine Infrastruktur in Fahrt brachte – teils wesentlich später als die übrigen Kantone. In dieser Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg ist die eigentliche Schwyzer Verwaltungs- und Bankenmeile zwischen Postplatz und Bundesbriefmuseum erstellt und in Betrieb genommen worden. Näher vorgestellt wurden so die Alte Post (heute Raiffeisenbank), der ehemalige (heute Polizeikommando) und aktuelle Hauptsitz der Schwyzer Kantonalbank, das Regierungsgebäude, das Bundesbriefmuseum, das Schulhaus Herrengasse, der Chupferturm und als Ergänzung zu diesen öffentlichen Bauten eine Reihe von Privatbauten im Gebiet Hirschi/St. Martinsstrasse. Die Bauten in diesem «Schwyz im 20. Jahrhundert» wurden zu einem grossen Teil von auswärtigen Architekten erstellt. Sie lösten sich vom bisherigen Heimatstil und richteten sich neu an Funktionalität, Nutzung und Form aus, bauten aber immer noch Elemente der Heimatarchitektur ein. Treibende Kraft für diese Bautätigkeit der öffentlichen Hand waren die wachsende Verwaltung, das aufkommende Bankenwesen und die neuen Aufgaben, die der Kanton zu übernehmen hatte.

Der Reding-Giebel ist dutzendweise zu sehen


Typisch in diesem Zusammenhang ist der Reding-Giebel. Zahlreiche Bauten aus dieser Zeitspanne von etwa 80 Jahren weisen über der Vorderfront diesen geschwungenen Dachgiebel auf. Damit wurde bewusst oder unbewusst ein starkes Element der Patrizierhäuser, vor allem des Reding-Hauses an der Schmiedgasse, übernommen. Selbst Privatbauten nutzten diese dekorative Gestaltung des Dachgeschosses. Dieser Reding-Giebel ist eine Schwyzer Erfindung und findet sich in dieser Art sonst nirgends. Eine Nachwirkung des Patriziertums also. Auch wurden zum Teil sogar Gartenhäuschen aus den Patrizier- Liegenschaften kopiert und neben Privathäusern in den Garten gebaut. Aber nicht überall in Schwyz waren Zürcher Architekten als Sieger aus Wettbewerben am Werk. Rund um den Schwyzer Baumeister Josef Blaser, seinen Mitarbeiter Josef Sprenger und Architekt Josef Steiner bildete sich eine Gruppe, welche zahlreiche Bauten dieser Zeit entworfen, gezeichnet und realisiert hat. Blaser war mit bis zu 300 Angestellten ein eigentlicher Generalunternehmer. Josef Steiner hatte in Stuttgart studiert und von dort diesen Stil der Stuttgarter-Schule mitgebracht. Nicht immer sind die Neubauten von der Bevölkerung akzeptiert worden. Typisch war die Kritik am von Architekt Josef Beeler erbauten Bundesbriefmuseum. Beeler war in Zürich tätig, stammte aber aus Rothenthurm. Für viele war dieser streng funktionale Bau im Stil der jungen Moderne zu fremd. Auch der heutige Hauptsitz der Schwyzer Kantonalbank wurde nicht überall mit Begeisterung begrüsst. Es hat eine gewisse Ironie, dass dieser Baustil den Fachbegriff «kubischer Brutalismus» trägt.

Viele Projekte zum Glück nicht realisiert


Etliche Bauvorhaben sind in jener Zeit wohl initiiert, geplant und in Wettbewerben und Aufträgen vorgeschlagen, aus heutiger Sicht aber zum Glück nicht realisiert worden. So ein grosses städtebauliches Ensemble mit Verwaltungsbauten, Kantonalbanksitz, Direktorenvilla und Gewerbeschulhaus im Gebiet des heutigen Regierungsgebäudes. Oder dann eine Fortbildungs- und Haushaltungsschule an der Bahnhofstrasse, welche an klösterliche Architektur mit Mauern rundherum erinnert.

Bote er Urschweiz / Josias Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Publiziert am

12.05.2023

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www.schwyzkultur.ch/4ECSRL