Zwei der Todeswinde: Sie holen die Todeskandidaten ab, ob reich oder arm, alt oder jung, schuldig oder reinen Gewissens. Bild Josias Clavadetscher
Zwei der Todeswinde: Sie holen die Todeskandidaten ab, ob reich oder arm, alt oder jung, schuldig oder reinen Gewissens. Bild Josias Clavadetscher

Bühne

Die «Tödin» holt auch die Schwyzer alle ab

Totentanz im «Chupferturm» – eine grandiose Kammer-Inszenierung des grossen Jedermann-Themas.

Noch mit Blick zurück auf die Woche mit Allerheiligen hat die Kleinbühne Chupferturm am Wochenende eine einmalige Sache geboten: einen Totentanz als musikalisch-szenische Aufführung, die ziemlich unter die Haut ging. Am klassischen Beispiel orientiert, wurde ein stark «eingeschwyzerter» Totentanz gezeigt. Im Vergleich zu Calderons Thematik war es sozusagen ein Kammerspiel-Welttheater. Erfreulich: Beide Aufführungen waren ausverkauft. Der Tod tritt hier auf als strahlende Göttin, eine «Tödin» von grosser Abgeklärtheit und absoluter Konsequenz. Begleitet von drei Frauen als «Todeswinden », den römischen Parzen gleich, holen sie einen nach dem anderen ab: die Kaiserin, die ebenfalls über Leben und Tod befindende Ärztin, die erfolgreiche Kauffrau, den Soldaten, welcher den Tod als Kumpanen versteht, den Schiffmann, der tödliche Stürme überstanden hat, den reuigen frommen Mann oder den Bauern, der im Himmel den Acker bestellen will. Die schöne Jungfrau wehrt sich voller Entrüstung, für den Tod des Babys fehlt jedes Verstehen, die gebrechliche Alte dagegen hat ihr Sterben erwartet. Besondere Brisanz enthielt jene Szene, als die Tödin den Bischof abholt und nach seinem Verhalten fragt; bizarr mutete es an, als der amtierende Schwyzer Gemeindepräsident Peppino Beffa in der Rolle des Edelmanns an die Reihe kam.

 

Schauer gehen durchs Publikum

Denn all diese symbolischen Figuren sassen jeweils mitten im Publikum und wurden unerbittlich aus den Stuhlreihen zu ihrem letzten Gang geholt. Eine hervorragende Idee der Inszenierung von Petra Zurfluh, mitten durchs Publikum einen Catwalk zu bauen und von dort aus die Todeskandidaten zu suchen. Wenn der unerbittliche Blick der Todesgöttin über die Zuschauer floss, war Erschauern garantiert. Auch der unausweichliche Abgang all der Figuren durch die beiden grossen Tore nach draussen war grandios inszeniert. Krachend-klirrend schlugen diese schweren Türen mit dem Eisenbeschlag jeweils zu, ein Zeichen von Endlichkeit. Und am Schluss gehen die Tödin und ihre drei Todeswinde ebenfalls hinaus, ins Schwyzer Dorf, echt «gfürchig».

 

Auf 14 Todessprüchen die Eigeninszenierung aufgebaut

Die Idee zu dieser novembergerechten Inszenierung stammt von Dirigentin Christina Marugg, einer freischaffenden Musikerin, die in Rickenbach wohnt und die Thematik schon einmal in Horgen inszeniert hat. Marugg leitet den «Cor der Kammerchor», der in dieser Inszenierung die zentrale, absolut grandiose, stimmstarke Rolle spielt. Motetten und Choräle bilden die akustische Basis für das tragische Geschehen. Als Basis der Handlung wurden die Totentanz-Sprüche von Angelus Silesius verwendet. Petra Zurfluh, verantwortlich für die Inszenierung und künstlerische Leitung, hat diese knappen Texte adaptiert, ausgebaut und mit gewaltig viel Emotion gefüllt. Zurfluh spielte selber die Todesgöttin: Der Tod kämpft nicht, rettet nicht, hilft nicht, verhandelt nicht. Die übrigen Rollen konnten alle mit gestandenen Laienspielern der Region besetzt werden, natürlich auch mit Leuten der innovativen Theatergruppe Avantt, der Mitorganisatorin, oder mit Nachwuchs aus dem hauseigenen Kindertheater Pronto. Irgendwie war es auch eine Kompensation zur diesjährigen Bühne-66-Aufführung, standen dort doch lediglich vier Personen auf der Bühne. Nun konnten sich etliche des dortigen Standard-Ensembles schadlos halten, wenn auch mit kurzen Texten.

Bote der Urschweiz  /Josias Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

06.11.2023

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www.schwyzkultur.ch/6piS1G