In diesem Jahr der Kulturpreis, im nächsten Jahr ein Schoeck-Jubiläum: Die Dirigentin Graziella Contratto ist noch immer eng mit dem Talkessel Schwyz verbunden. Bild Ruben Wyttenbach
In diesem Jahr der Kulturpreis, im nächsten Jahr ein Schoeck-Jubiläum: Die Dirigentin Graziella Contratto ist noch immer eng mit dem Talkessel Schwyz verbunden. Bild Ruben Wyttenbach

Dies & Das

«Kulturpreis war ein unverhofft schönes Ereignis: ein wirkliches Geschenk»

Graziella Contratto erhielt am Samstag den Innerschweizer Kulturpreis. Die Schwyzer Musikerin, Dirigentin und Musikpädagogin, die heute in Bern lebt und arbeitet, ist eng mit Schwyz verbunden und eine Nostalgikerin. Die schönsten Seiten der Hauptstadt erinnern sie an Schwyz. Im Interview erklärt sie, warum die Bezeichnung Fachbereichsleiterin Musik sie an eine Halskrankheit erinnert.

Mit Graziella Contratto sprach Silvia Camenzind

Silvia Camenzind:Sie erhielten am Samstag denInnerschweizer Kulturpreis. Eine Überraschung für Sie?

Graziella Contratto: Ja, genauso wie immer bei unverhofft schönen Ereignissen: ein wirkliches Geschenk.

In der Innerschweiz sind Ihre Wurzeln, nun leben Sie in Bern. Wie erleben Sie die Hauptstadt der Schweiz?

Schmeicheln liegt den Schwyzern ja nicht, deshalb kann ich frank und frei behaupten, dass mich die schönsten Seiten Berns immer an Schwyz erinnern, das Urtümliche, die Tradition, die Natur. Andere Dinge, wie zum Beispiel das Beharrungsvermögen am Gewohnten, finde ich anstrengend.

Zuvor lebten Sie in Frankreich, führten ein Orchester. Wie war die Umstellung von Lyon nach Bern?

Enorm, aber ich denke, man nimmt aus jedem Aufenthalt, wenn man sich auf eine Kultur oder einen Ort einlässt, etwas mit in den folgenden Lebensabschnitt. Bei mir war es die französische Rasanz im Formulieren von Gedanken, auch wenn sie noch nicht ganz ausgegoren sind – kein schlechter Kontrast zum schweizerischen Abwägen und Abwägen und Abwägen.

Wie kann man sich Ihre Aufgabe an der Hochschule der Künste in Bern vorstellen?

Es ist eigentlich eine Managerfunktion, glücklicherweise aber stark mit musikalischen Inhalten und Gedankengängen zur Förderung der nächsten Musikergeneration angefüllt. Zusammen mit einem tollen Team versuchen wir, Studierende der Klassik, des Jazz, der Medienkunst, der Rhythmik und der Komposition für ein Leben nach dem Studium und (noch wichtiger) nach dem Verlust der bildungsbürgerlichen Standards der letzten zweihundert Jahre fit zu machen.

Welches sind die Anforderungen?

Das fordert uns viel Fantasie, Kreativität, aber auch ein noch bewussteres Umgehen mit den Traditionen der Musikwelt ab.Früher hiess meine Position noch sehr edel: Konservatoriumsdirektorin, heute, nach der Bolognareform, etwas bescheidener: Fachbereichsleiterin Musik. Klingt für mich mit all den «ch» und «r» immer noch nach einer Halskrankheit, dabei sind die Anforderungen enorm gewachsen, eben weil die Gesellschaft ihr Verhältnis zur Kultur und zur Musik verändert hat.

Sie sind mit Talent gesegnet. Wie leicht oder schwer ist es erträglich, wenn Absolventen an ihre Grenzen stossen, also nicht das geforderte Niveau erreichen?

Wir versuchen zusammen mit den Studiengangsleitenden, diese Gefahr möglichst früh zu erkennen, sei es bei Vorspielen oder bei Zwischenprüfungen, durch das Beobachten von Auftritten oder in enger Rücksprache mit den Dozierenden. Ziel wäre es doch, aus den Musikstudierenden das Beste herauszuholen und ihnen verschiedene Optionen aufzuzeigen. Ich finde aber immer, ein Musikstudium kann auch den Boden für andere Tätigkeiten bilden: pädagogische, konzeptionelle, organisatorische oder Coaching-Begabungen sind mindestens so spannend wie eine Solokarriere, die sowieso nur den wenigsten vorbehalten sein wird.

Spielt Ihre Tochter auch Instrumente?

Sie hat eben vor zwei Wochen ihren ersten Klavierunterricht an der Musikschule in der Nähe von Bern erhalten. Sehr süss, wie sie auf den schwarzen Tasten herumpoltert.

Im nächsten Jahr sind Sie zusammen mit der Camerata Schweiz am Schoeck Festival engagiert. Worum geht es?

Ein wichtiges Forschungs-Symposium, Kammermusik, ein internationaler Lied-Duo-Wettbewerb, ein Chorkonzert und das von mir dirigierte Abschlusskonzert mit der Solistin Rachel Harnisch und dem Solisten Ernesto Molinari nähern sich der vielschichtigen schöpferischen und ideologischen Seite des Brunner Komponisten Othmar Schoeck an. Viele lokale Ensembles wie zum Beispiel der Singkreis Brunnen wirken ebenfalls mit.

Gilt es, den 1886 in Brunnen geborenen Künstler wiederzuentdecken?

Othmar Schoeck verbindet in seinem reichen Schaffen die Widersprüche seiner Zeit zwischen Nostalgie, Aufbruch, Rebellion und Anpassung. Die verschiedenen Schaffensphasen ermöglichen während dieses Festivals eine neue Sicht und ein neues Lauschen auf seine Musik und deren Bedingungen. Sie erzählten

Autor

Bote der Urschweiz

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Publiziert am

15.09.2015

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www.schwyzkultur.ch/ww2bvF