Dies & Das
Mittelalter: Wenige Feste, dafür Völlerei
Das mittelalterliche Schwyz kannte zwar auch Not, Hunger und Armut, aber bei den wenigen sich bietenden Gelegenheiten wurde ebenso gewaltig gefestet. Oft überbordend und manchmal unberechenbar.
Festivitäten aller Art sind heute Alltag, pure Gewohnheit geworden und damit oft entwertet. Im Mittelalter dagegen beschränkte sich die Festkultur auf einige Tage im Jahresablauf und wenige Ereignisse im Lebenslauf. Der Festzyklus ist durch das Kirchenjahr bestimmt worden. Drei grosse Termine stechen hervor: Fasnacht, Kirchweihe – die Chilbi – und Schützenfeste, wie Valentin Kessler, beim Amt für Kultur zuständig für den Kulturgüterschutz, in einem Referat zur «Festkultur im spätmittelalterlichen Schwyz» ausführte.
Fasnacht, damals ganz anders
Erste Belege für Fasnacht tauchen auf dem Land erst im 15. Jahrhundert auf. Sie schildern eine «Fasnacht», die mit dem heutigen Narrentreiben schlicht nicht vergleichbar ist. Masken werden erst im frühen 17. Jahrhundert erwähnt, vermutlich aus Rinden, Häuten oder Stoff gefertigt. Die ältesten Holzmasken in Schwyz stammen aus der Zeit zwischen 1750 und 1800.Wie Kessler ausführte, prägten dafür geradezu hemmungsloses Essen, Völlerei, Saufgelage und Tanz die Fasnacht. Beliebt waren die zahlreichen gegenseitigen und regelmässigen Besuche der eidgenössischen Orte. Bis zu 1500 Innerschweizer liessen sich 1447 zum Beispiel nach Zürich einladen; eine Rechnung vom Besuch in Solothurn zeigt, dass mehr als 3100 Liter Wein getrunken worden waren. Masslosigkeit war das Merkmal, immer wieder artete es aus.Wüste Schlägereien,Totschlag, völlige Umkehrung der Werte, Ausschweifungen, der Saubannerzug in die Westschweiz kamen vor. Selbst der Überfall auf das Kloster Einsiedeln könnte mit der Fasnacht im Zusammenhang stehen.
Gefördert und gefürchtet
Anderseits könnten genau diese Zusammenkünfte, diese «Fress- und Saufgemeinschaft» im Rahmen von Festanlässen den eidgenössischen Zusammenhalt mehr gestärkt haben als die politischen Verträge der Stände untereinander, vermutete Kessler. Darum sieht er auch die Schlussfolgerung bestätigt, dass die Obrigkeit einerseits diese Festkultur gefördert, gleichzeitig wegen deren Unberechenbarkeit auch gefürchtet hat. Oder sie hat mitgemacht: 1488 wurde eine grosse Zürcher Delegation auf der Heimfahrt von Altdorf auch in Schwyz noch empfangen, der Schwyzer Landammann aber war nicht dabei: Er war noch vom Vortag her zu betrunken.
Erste «Sportanlässe»
Ganz ähnlich lief die mittelalterliche Kirchweih ab, ein beliebtes Fest im Jahresablauf. Auch die Chilbi bedeutete immer Tanz, Essen, Trinken, Besuche bei benachbarten Ständen. Diese konnten gut und gerne drei Tage dauern. Oder dann waren die Schützenfeste beliebt. Aus dem Jahre 1553 ist ein Schützenfest vom Eigenwies in Ibach belegt. Wobei an diesen Schützenfesten nicht nur mit Armbrust und Büchsen geschossen worden ist, auch andere Wettkämpfe gehörten dazu: Schwingen, Schnelllauf, Weitsprung aus dem Stand, Steinstossen. Und immer der «Glückshafen», eine grosse Lotterie. Kessler schilderte in seinem Vortrag, wie Schwyz im Spätmittelalter eine exzessive Festkultur gepflegt hat, zu der übermässiger Genuss, auch sexuelle Ausschweifungen gehörten, aber auch die Kontakte zu anderen Ständen und damit Konfliktlösungen. Kessler: «Die Feste hatten ebenso stabilisierenden wie rebellischen Charakter. »
Der Vortrag «Festkultur im spätmittelalterlichen Schwyz» von Valentin Kessler fand im Rahmen des Internationalen Museumstags 2010 im Bundesbriefmuseum statt. Parallel dazu wurde im Archivturm ein Workshop zum Thema «Essen vor 400 Jahren» durchgeführt.
Bote der Urschweiz
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