Wie aus einer anderen Zeit: Norbert Gwerder erinnert sich lebhaft an die Waldbubenzeiten in den 1930er-Jahren und an die Dreharbeiten zum Film von 1936, der heute auf modernen Datenträgern angeschaut werden kann. Bild Franz Steinegger
Wie aus einer anderen Zeit: Norbert Gwerder erinnert sich lebhaft an die Waldbubenzeiten in den 1930er-Jahren und an die Dreharbeiten zum Film von 1936, der heute auf modernen Datenträgern angeschaut werden kann. Bild Franz Steinegger

Film

Ein ehemaliger Waldbube erinnert sich

1936 wurde ein 90 Minuten dauernder Film über das Waldbubenleben gedreht – ein Dokument aus einer längst vergangenen Zeit. Norbert Gwerder erinnert sich an die Dreharbeiten und das Leben in der Waldlichtung bei Aufiberg.

Gebannt schaut Norbert Gwerder, ehemaliger Untersuchungsrichter, auf den Bildschirm, über den der Waldbubenfilm läuft, der in den Jahren 1935 und 1936 gedreht wurde. Er erkennt die meisten noch, die Kameraden aus seinen Jugendjahren: Fredy Binkert, Hugo Triner sen., Albert Truttmann, Sepp Reichlin (Seewen), Josef «Beppi» Reichmuth, Hans Trütsch, Alois Rey, Walter Immoos, Toni Steinegger und wie sie alle hiessen – und natürlich der legendäre Vikar JK Scheuber, der Gründer, «Motor», der Waldbuben und Initiant des Films. Auch urchige Aufiberger sind zu sehen, wie sie nach der Sonntagsmesse vor der Kapelle plaudern.

«Sammelsurium von Aktivitäten»

Zu sehen ist im ersten Teil das Lagerleben im «Hirschgärtli» in Aufiberg, wo die Waldbuben ein StückWald von der Oberallmeind pachten konnten, wo sie 1933 und 1934 ihre komfortable Hütte mit Übernachtungsplätzen und Küche bauten und wo sie jeweils die Sommerferien verbrachten. Im zweiten Teil spielt nahtlos die Geschichte, die mit der Errichtung eines Kreuzes beginnt. Weil nicht «Kauz» (Albert Truttmann), sondern sein «Gegenspieler» Sepp (Reichlin) das Kreuz aufstellen darf, kommt es zur Konfrontation, die mit einem Attentat endet. Während eines Geländespiels («Sturm auf die Burg Ringelnatter») schneidet Kauz das Seil an, das dann prompt reisst, als sich jemand aus der Bubenschar am Schijen (Ibergeregg) abseilt. «Ein Sammelsurium von Aktivitäten», kommentierte Fredy Binkert schmunzelnd das Geschehen 74 Jahre später (siehe Kasten). Das Finale: Kauz wird von Lagerleiter JK Scheuber aus der Schar ausgeschlossen, doch das «Opfer» verzeiht ihm, und seine Kameraden setzen sich für ihn ein, sodass er wieder mittun darf. Die «christliche Vergebung» als Moral der Geschichte.

Ein wertvolles Zeitdokument

Der Film ist ein Dokument aus vergangenen Zeiten, mit 50 Buben als Laienschauspieler, die – militärisch gedrillt – den Lageralltag sichtlich geniessen. Norbert Gwerder kann sich gut erinnern, wie sie jeweils mitTrommeln und Fahne, «mit Schiff und Geschirr », den Handwagen ziehend, von Schwyz ins «Hirschgärtli» zogen, den Lagerplatz einrichteten, einen Weg vom Strässchen ins Gelände bauten, eine Brücke über den Chlotterlibach spannten, frühmorgens zum Antrittsverlesen erschienen, Spiele und Streiche spielten. Am 1. August 1935 gab es im nahen «Chätziboden» ein Dessert, bestehend aus Äpfeln und Waldbeeren. Es muss gut geschmeckt haben, denn Gwerder erinnert sich noch, wie es gestern gewesen wäre.

Ein Vermächtnis ist geblieben

Dass ein Film von einem professionellen Studio aus Zürich gedreht wird, davon wussten die Buben nichts. «Wer zu dieser Zeit anwesend war, schauspielerte», sagt der heute 86-Jährige. Eine Szene ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: Er war auserkoren, sich als Erster beim Abgestürzten einzufinden mit demAuftrag, erschrocken zu wirken und zu weinen. «Die Szene wurde drei- oder viermal gedreht, doch ich war nicht dafür geeignet, weil ich zu wenig erschrocken wirken und nicht weinen konnte. Da sagten sie mir: ‹Diese Szene ist nichts für dich.› Ich war offenbar kein begnadeter Schauspieler», ergänzt er lachend. Die Waldbubenhütte ging den Weg alles Irdischen. Sie vermoderte im feuchtenWald des «Hirschgärtli» und wurde Ende der 1940er-Jahre abgebaut. Geblieben sind der Brunnentrog, die Grundmauern und das Vermächtnis der Waldbuben. Sie wurden 1932 eine der fünf stolzen Gründersektionen der schweizerischen Jungwachtbewegung.

Waldbubenfilm auf DVD

Der Schwarz-Weiss-Film über die Waldbuben erschien 1936. Die Geschichte wird, da es sich um einen Stummfilm handelt, in knappen Untertiteln erzählt. Der Streifen im 16-mm-Format lagerte während Jahrzehnten im Pfarrarchiv Schwyz und zerfiel zusehends. 2008 wurde er digitalisiert. Im Januar 2009 wurde er den noch lebenden Waldbuben Fredy Binkert, Konrad Wirthensohn und Beat Camenzind sowie Josy Truttmann, der Witwe von Hauptdarsteller Albert Truttmann, vorgeführt (Fredy Binkert, der die zweite Hauptrolle spielte, starb ein Jahr späte

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Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

14.12.2011

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