Exakt zum 40. Todestag von Meinrad Inglin: Bodo Krumwiede und Prisca Anderhub lasen und interpretierten die Liebesbriefe von Meinrad Inglin und Bettina Zweifel. Bilder Silvia Camenzind
Exakt zum 40. Todestag von Meinrad Inglin: Bodo Krumwiede und Prisca Anderhub lasen und interpretierten die Liebesbriefe von Meinrad Inglin und Bettina Zweifel. Bilder Silvia Camenzind
Bettina Zweifel zeichnete in ihren Briefen auch: Hier ihr Traum, der sich erst nach 20 Jahren Fernbeziehung erfüllte.
Bettina Zweifel zeichnete in ihren Briefen auch: Hier ihr Traum, der sich erst nach 20 Jahren Fernbeziehung erfüllte.
Das Liebespaar: Meinrad Inglin und Bettina Zweifel auf einer Bergwanderung.
Das Liebespaar: Meinrad Inglin und Bettina Zweifel auf einer Bergwanderung.

Literatur

Ein Kuss auf Bettinas Augen

Zum Gedenken an den gestrigen 40. Todestag von Meinrad Inglin wurden im «Chupferturm » Liebesbriefe von Bettina Zweifel an Meinrad Inglin und umgekehrt gelesen. «Kannst du auch längere Briefe schreiben als immer nur einblättrige?», ärgerte sie sich über ihn.

Heute schreibt man ein SMS, nicht mehr lange Liebesbriefe. «hdg» für «Ha di gärn» muss im Alltagsstress genügen. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts anders. Man hatte Zeit zum Nachdenken und zum Schreiben, wie die szenische Lesung «Alles in mir heisst: Du!» am Samstag und gestern im «Chupferturm» aufzeigte. Prisca Anderhub und Bodo Krumwiede lasen aus dem Briefwechsel zwischen dem späteren Ehepaar Inglin, dazu gab es Musik und auf der Grossleinwand Ausschnitte aus Originalbriefen, Kritzeleien von Bettina Zweifel und alte Fotos der Inglins aus Berlin, Zürich und Schwyz. Die beiden Schauspieler schafften beim Vorlesen eine Atmosphäre, die erahnen liess, wie sich das Liebespaar damals gefühlt hatte. Der Publikumsaufmarsch war dennoch nicht gross, rund 40 Personen kamen am Samstagabend, gestern etwas weniger.

Ein schauderhaftes Heimweh

Meinrad Inglin lernte die drei Jahre jüngere Bettina Zweifel 1919 kennen. Der Schwyzer Schriftsteller und die Zürcher Geigerin, er im katholischen Umfeld, sie reformiert, führten während 20 Jahren eine Fernliebe. Der Schriftsteller konnte sich eine bürgerliche Ehe mit Kindern nicht leisten. Ein Konkubinat war zu dieser Zeit nicht möglich, und Inglins Tante Abegg, tief im katholischen Glauben verwurzelt, bekundete Mühe mit einer reformierten Frau. So blieb dem Paar das Briefeschreiben. Bettina Zweifel zeigte sich dabei quirlig, fröhlich und spontan. Sie war Meinrad Inglin gegenüber offen und vermisste ihn sehr: «Schwyz ist so weit weg von Zürich.» Oder: «Müssen wir in unserem kurzen Leben so lange warten, bis das Schöne kommt?» Oder: «Ich kann Dir eigentlich nichts anders sagen, als: Komm doch eeeeendlich wieder einmal! Mir wünsche ich einen lieben, lieben Brief oder Dich selbst und Dir ein schauderhaftes Heimweh nach Deiner Bettina.»

Alle Krisen überstanden

Meinrad Inglin musste gewusst haben, dass Bettinas Briefe besser waren, und hatte vermutlich von seinen vernichtet. Er blieb in seinen Briefen an sie reservierter, hielt sich an Fakten, schrieb über seine verlegerischen Probleme und wurde nur manchmal zärtlich: «Mit einem Kuss auf Deine lieben Augen. Dein Meinrad.» Eine tiefe Krise machte die Beziehung durch, als Inglin seiner Freundin bekannt gab, dass ihn Stoff für ein neues Werk überfallen habe. Er könne das nicht nebenbei schreiben, so wie er auch «Die Welt in Ingoldau» nicht nebenbei habe schreiben können. Er schlug ihr die Trennung vor. Darauf schrieb sie ihm: «Ich habe eben Deinen Brief erhalten. Mir ist, als ob ich am Ertrinken wäre.» Manchmal litt Bettina auch bei ihren Besuchen in Schwyz: «Du ahnst gar nicht, wie wirklich weh mir oft die Schwyzerluft tut, diese zähflüssige, erdenschwere Masse, die alles andere ist, nur nicht elastisch.» Doch letztlich überstand das Paar alle Krisen. 1938 starb Inglins Tante. Im März 1939 heirateten Bettina Zweifel und Meinrad Inglin. Sie führten eine harmonische Ehe, bis sie 1969 zwei Jahre vor ihm starb.

Auf Inglins Knien

Im Winter war es im Inglinhaus an der Grundstrasse in Schwyz jeweils sehr kalt. Nach dem Tod seiner Frau schrieb Meinrad Inglin darum im Hotel Wysses Rössli am Hauptplatz. Er schottete sich stets ab, nur ein kleines Mädchen durfte zu ihm ins Zimmer und sich auf seine Knie setzen. Es war Prisca Gaffuri, die Tochter des damaligen Hoteliers. Das Mädchen ist heute Schauspielerin, heisst Prisca Anderhub und las zum 40. Todestag im «Chupferturm» Bettina Zweifels Briefe vor.



Das Buch «Alles in mir heisst: Du!»

von Marzena Gorecka, erschienen im Ammann-Verlag, ist zurzeit im Buchhandel nicht erhältlich, soll aber demnächst im Limmat-Verlag
wieder erscheinen.

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

05.12.2011

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www.schwyzkultur.ch/QZdfLU