Gertrud Leutenegger: Aus Traditionen und Bräuchen springt bei der Schriftstellerin überraschender Lebenssinn.
Gertrud Leutenegger: Aus Traditionen und Bräuchen springt bei der Schriftstellerin überraschender Lebenssinn.

Literatur

Gertrud Leuteneggers Grenzgänge

Ein neues Buch zeigt die Grenzerfahrungen in Gertrud Leuteneggers Werk auf, die «Zwiesprache mit dem Unmöglichen».

Wie können Schwyzer Häuser, Bräuche oder sogar Schwyzer Äpfel literarischen Rang erhalten, der weit über Schwyz hinausgeht? Dieser Fragestellung geht die estnische, an der Universität Tartu lehrende Germanistin Eve Pormeister in einem klugen, mit viel persönlichem Engagement geschriebenen und genau beobachtenden Buch nach.

Als wärs Musik

Pormeister zeigt, wie die aus Schwyz stammende Schriftstellerin Gertrud Leutenegger in ihren Texten Einzelheiten, eben auch schwyzerische, kunstvoll mit anderen Elementen verknüpft und verwebt, vielstimmig und farbenreich. Leutenegger intensiviert derart verschiedene Sinnschichten ihrer Wörter und Satzbauten. Sie treibt ihre Welt damit nicht nur über Schwyz hinaus, sondern auch an die Grenzen unserer Alltagseinteilungen. Von dort setzt sie ab in ein Anderswo, gerät in eine «Zwiesprache mit dem Unmöglichen». Dieser Dialog holt neue Sinnzonen aus dem Dunkel der Seelentiefen ins Leben, in fliessendes, manchmal auch widerständig blitzartiges Licht. So sehr diese Sinnzonen aus einem Anderswo kommen, sie meinen zugleich ganz uns selbst, treffen unsere Identität in jenen Abgründen, die wir im Alltag so gern überspielen und verstecken. So drangen schon die Mystiker in ihren Ekstasen zum ganz Anderen, just um gerade so sich selber zu finden. Es ist darum nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass Eve Pormeister im hier anzuzeigenden Band zugleich mit Leutenegger auch über die im Kloster Fahr als Nonne lebende, mystisch geprägte Dichterin Silja Walter schreibt.

Weibliches Schreiben

Die estnische Germanistin geht von Interviews mit den beiden Schriftstellerinnen aus. Dann zeigt sie einerseits dichterische, historische und soziale Voraussetzungen auf, und vor allem: die poetische Eigenart von Leuteneggers Texten. So erfahren wir denn in diesem schönen Buch vieles über Zusammenhänge und Motive des «weiblichen Schreibens» in der Schweiz – und last but not least: über die Art, wie Traditionen und Bräuche unteranderem auch aus dem Dorf Schwyz in literarische Texte eingehen, um dort in neuer Freiheit beziehungsreich aufzublühen. Die fasnächtlichen Trommelwirbel, die Agatha-Brötchen, die glänzende Herrlichkeit der alten Fronleichnamsfeiern: Aus all dem springt bei Leutenegger überraschender Lebenssinn.

Weitere Infos

Gertrud Leutenegger bei Wikipedia

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

03.11.2010

Webcode

www.schwyzkultur.ch/heiim3