Ein Buch zum Greifeln: Josias Clavadetscher ist den Spuren eines alten Brauchtums nachgegangen. Bild: Silvia Camenzind
Ein Buch zum Greifeln: Josias Clavadetscher ist den Spuren eines alten Brauchtums nachgegangen. Bild: Silvia Camenzind

Literatur

«Im Greifeln steckt viel Swissness»

Der Brunner Journalist, Fasnächtler und Brauchtumskenner Josias Clavadetscher hat ein Buch über das Greifeln geschrieben und hat viel Überraschendes entdeckt.

Mit Josias Clavadetscher sprach Jürg Auf der Maur

Auf der Maur: Demnächst erscheint ein Buch von Ihnen zum Greifeln. Was ist Ihre Haupterkenntnis?

Clavadetscher:Die grösste Überraschung war, dass hinter dem ganzen Greifeln, Treicheln, Schellen und Chlepfen viel mehr steckt, als man auf den ersten Blick meint.

Inwiefern?

Das Brauchtum ist sehr alt. Es hat auch etwas Mystisches. Das hat mich beeindruckt. Überrascht hat mich, dass das ganze Brauchtum bisher nie in Buchform umfassend behandelt wurde.

Gibt es, wie beim Schwingen, derzeit eine Art Boom?

Das ist tatsächlich so. Spätestens seit den 1970er- und 80er-Jahren ist der Brauch am Wiedererstarken. Es kam vielerorts zu Neugründungen. Es gibt eidgenössische Treichler- und Schellertreffen, das hat sicher stark mitgeholfen. Dazu kommt, dass in diesem Brauchtum sehr viel Swissness steckt. Was bei Sportlerempfängen oder Reden von SVP-Häuptern wie Christoph Blocher sichtbar wird: Fanclubs sind an Pisten und in Hallen, wenn Blocher auftritt, mit Treicheln präsent. Hirthemden und Glocken werden heute ja auch touristischvermarktet. Sie gelten als typische Souvenirs aus der Schweiz. Für uns bedeutet das Heimat, und es ist auch logisch, dass die Bauernsame damit eng verbunden ist.

Das gehört zusammen?

Offenbar. Doch das ist ein Punkt, den ich in meinem Buch auch kritisiere. Auftritte wie damals bei der EWR-Abstimmung im Bundesbriefarchiv sorgten landesweit für Aufsehen. Solche Auftritte stehen aber in einem gewissen Gegensatz zu den Statuten, welche die Vereine haben. Sie erklären sich politisch und konfessionell neutral. Wenn sie sich dann von Parteien gängeln und gezielt einsetzen lassen, finde ich das nicht gut.

Sie haben es angetönt. Greifeln ist alt?

Volkskundler gehen davon aus, dass es mit dem berühmten Wotan-Kult zu tun haben könnte. Wotan war der alte Göttervater. Man schellte gegen das Wuotis- Heer, das in den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Neujahr durch die Luft brauste. Dem hielt man mit Schellen und Treicheln entgegen.

Dieses Jahr feiert man den 100. Geburtstag in Schwyz.

Der Greiflet inSchwyz ist älter. Vor hundert Jahren fand erstmals wieder ein organisierter Einzug statt, zum Teil polizeilich begleitet. Es gibt sogar viele ältere Hinweise. Der Staat Schwyz kämpfte seit 1599 mit verschiedenen Erlassen immer wieder gegen Auswüchse rund um das Brauchtum. Es ging nicht nur gegen das Treicheln, sondern auch gegen die Auswüchse beim Fasnachtstreiben oder um Vergehen gegen die Tanzverordnung.

Weshalb war das nötig?

Es artete aus, und man übertrieb: Alkoholexzesse, Schlägereien, Sachbeschädigungen. Es herrschten raue Sitten. Das hatte halt auch damit zu tun, dass vor allem junge, testosterongeladene Männer unterwegs waren. In Muotathal wurde einmal sogar an einem Haus eine Aussentreppe weggerissen. Als die Bewohner am Morgen aufstanden, war diese nichtmehr da.

Das Jubiläum hat mit der Gründung inSchwyz gar nichts zu tun?

Schwyz ist ein Spezialfall. Die Greifler sind kein Verein und haben deshalb auch keine Gründungsakte oder Vereinsprotokolle. Mit dieser Organisation ist Schwyz aber nicht alleine. Ein Drittel der Greifler ist nicht in Vereinen organisiert, sondern in losen Gruppierungen.

Gibt es denn einen inneren Zusammenhang zwischen dem Küssnachter Klausjagen bis zu den Fasnachtsanlässen in den SchwyzerGemeinden?

Ich denke, dass von der Klausenzeit bis zur Fasnacht viele Bräuche eng zusammenhängen und deshalb auch viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Das zeigt auch das Beispiel Muotathal, wo die Greifler kostümiert auftraten, also eigentliche Fasnächtler waren. Es gibt eine totale Vermischung aller Bräuche, nicht nur im Kanton Schwyz, sondern schweizweit. Es gibt im ganzen Alpenraum Fasnächtler, die Schellen tragen. Es gibt zwar einenBoom,trotzdem ist alles noch sehr ländlich geprägt.

Gibt es keine Nachwuchsprobleme?

Rein zahlenmässig müsste man sich um den Greiflet nicht fürchten. Die Bauern und deren Nachfolger dominieren zwar, aber es gibt immer meh

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

07.01.2017

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