Wo sagt man tüüf und wo töüf? Der kleine Sprachatlas der deutschen Schweiz gibt Aufschluss darüber. (Bild: pd)
Wo sagt man tüüf und wo töüf? Der kleine Sprachatlas der deutschen Schweiz gibt Aufschluss darüber. (Bild: pd)

Literatur

Neuerscheinung für Mundartliebhaber

Vor Kurzem erschien im Verlag Huber unter dem Titel «Kleiner Sprachatlas der deutschen Schweiz» eine Volksausgabe des grossen, achtbändigen Sprachatlas der deutschen Schweiz.

Das grosse Werk war und ist für den wissenschaftlichen Gebrauch bestimmt – Laien erschrecken ob seiner Fülle, den vielen Texten in phonetischer Umschrift und den Karten mit einer Vielfalt von Symbolen eher und lassen das so viele wichtige Informationen über die Dialektlandschaft der deutschen Schweiz liefernde Werk lieber in den Gestellen der Bibliotheken liegen. Das hat sich ein Team von Fachleuten zu Herzen genommen und sich aufgemacht, um das, was die Wissenschaft aufbereitet hat, einer breiteren interessierten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Das Unternehmen ist geglückt. In einem handlichen Band präsentieren 120 farbige Karten einen eindrücklichen Querschnitt durch die Deutschschweizer Mundartlandschaft. Farbige Flächen ersetzen die vielen Einzelsymbole des Basiswerks. Damit kann dem Laien auf einen Blick ein Sprachphänomen vor Augen geführt werden. Zu jeder Karte haben Fachleute in verständlicher Art einen Kommentar verfasst. Wenn die Vielfalt der Varianten für eine einzelne Sache aber die Möglichkeit der fasslichen farbigen Darstellung verunmöglicht, zeigen Wortlisten die Varianten auf, so zum Beispiel für Fangen spielen, das wir in Schwyz als Ziggi kennen, oder für die Sommersprossen, bei uns Merzefläcke, oder für weinen, wo es Varianten von bäägge, bläägge über briegge zu griine bis zu zänne gibt.

Wo tüüf und wo töüf

Die Einleitung liefert in knapper und gut nachvollziehbarer Art die nötigen Grundinformationen in Bezug auf die Geschichte der deutschen Sprache bis hin zu unseren Mundarten. Der eigentliche Atlas dann gliedert sich in einen umfangreichen Wortschatzteil mit den vier Bereichen «Mensch und Gesellschaft», «Küche und Haushalt», «Natur, Landwirtschaft und Handwerk», «Vergangene Lebenswelten und Bezeichnungen» (zu Letzteren zum Beispiel der Butterrückstand beim Einsieden wie Truese, Ankeruumi usw. oder mit Aschenlauge waschen wie seechte, buuche oder das Reisigbündel wie Wälle, Stuude usw.). Auf diesen grossen Teil folgt derBereich «Laute und Formen». Da geht es zuerst um die Vokale, wo sagt man zum Beispiel Straass und wo Strooss, wo Chääs und wo Chèès, wo tüüf und wo töüf. Es folgen Bereiche aus dem Konsonantismus, wo heisst es zum Beispiel Ziis und wo Zeis, wo sagt man Hung und wo Hund, wo heisst es moorn und wo moore für morgen. Zuletzt folgt mit den Formen das Schwierigere: Wo braucht man zum Beispiel für das Zahlwort zwei die drei Formen zwee (Manne), zwoo (Fraue), zwäi Chind, wo nur zwei Formen zwee (Manne, Fraue), zwäi (Chind). Oder man sieht, wo es noch drei Formen für den Plural des Verbs gibt wie wir mache, ir machet, schi machunt; wir bei uns kennen aber nur noch mier, ier, si machid.

Mundarten strotzen vor Lebenskraft

Ein rundum erfreuliches Werk. Mundartfans werden beim Blättern auf Bekanntes und Unbekanntes stossen, manchmal auch erstaunt feststellen, dass sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute gar manches verflüchtigt oder verändert hat. Und doch serbeln unsere Mundarten nicht, sondern strotzen vor Lebenskraft. Die Herausgeber Helen Christen, Elvira Glaser und Matthias Friedli sind zu diesem Werk zu beglückwünschen. Es brauchte grossen Sachverstand und ordnenden Geist, damit aus der Materialfülle des grossen Atlas ein Atlas für eine breite interessierte Gemeinde der Mundartfreunde werden konnte.

Kleiner Sprachatlas der deutschen Schweiz

Herausgegeben von Helen Christen, Elvira Glaser, Matthias Friedli. Verlag Huber. Frauenfeld – Stuttgart – Wien 2010. ISBN 978- 3-7193-1524-6

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

10.11.2010

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