Literatur
Schriber hat ihre eigene Syra gemacht
Die Schriftstellerin Margrit Schriber hat Syra Marty nicht gekannt. Nun hat sie ein Buch über das «Dächli-Leni» geschrieben, das Syra, so lässt sich vermuten, nahekommt.
Rund 60 Personen folgten gestern Abend im Ital-Reding-Haus der Vernissage des Buches «Syra die Stripperin» von Margrit Schriber. Den Tipp dazu gab ihr Frieda Muff aus Brunnen. Die beiden Frauen kennen sich aus der Schulzeit imTheresianum. So kam es, dass Ende August an den Literaturtagen auf der Rigi Margrit Schriber bereits ein vollendetes Manuskript in der Tasche hatte. Es kam zur Zusammenarbeit mit Peter Schulz, Verleger von Pro Libro Luzern. Gerade rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft liegt das Buch bereits vor. Ein Rekordtempo für eine Buchveröffentlichung – «quasi eine Sturzgeburt», meinte Schulz. Margrit Schriber hatte Syra Marty nicht gekannt. Sie hat sich nach dem Input Roger Bürglers Film angesehen, sie hat Material gesichtet und mit Syras Bruder Alois Marty gesprochen. Den Rest hat sie erschaffen. «Ich habe das Buch mit einer grossen Achtung geschrieben. Ich habe eine eigene Syra gemacht», erklärte Margrit Schriber. Sie habe 90 Prozent der Geschichte erfunden. Es liegt wohl an ihrer Empathie, dass die Leser im Buch Syra erleben. «Der Roman ist feinfühlig ausgearbeitet», erklärte Daniel Annen als Pate des Buches in seiner Rede. Er lobte die klugeWahl von Metaphern und auch, dass die Autorin die Bosheit derWelt, die unter Glanz und Gloria herrscht, aufzeigt.
Syra für einmal nicht nur Körper
Josefina Magdalena Marty, Jahrgang 1921, gestorben am 3. Februar 2011, einst Pin-up-Girl und Stripperin, ist im Dokumentarfilm eine Wucht. Im Buch der Schriftstellerin Margrit Schriber wird ihr Innenleben ausgeleuchtet, da ist sie nicht nur Körper.
Betreuerin alsErzählerin
Margrit Schriber nimmt im Roman «Syra die Stripperin» Jenny als Ich-Erzählerin. Jenny, um die vierzig, Witwe aus Naples in Florida, ist Betreuerin beim katholischen Sozialdienst. Sie fasst die Aufgabe, sich um die Schweizerin zu kümmern, die in einem verfallenen Haus wohnt. Subtil erzählt Schriber, wie sich die beiden Frauen näherkommen. Jenny holt die vereinsamte Syra aus ihrer Lethargie – mit unendlicher Geduld. Sie zeigt auf die Pin-up-Bilder an derWand: «Wer ist die Frau?» «Ich! Syra. The hottest spot from the Swiss KnifeValley. Bist du blind?»
Von Männerblicken verschlungen
Syra, eine Art wütender Kobold, will in ihrer Traumwelt nicht gestört werden, öffnet sich der Betreuerin dann aber mehr und mehr. Syra wiederum hilft Jenny aus der Trauer um ihren Mann. Die beiden brauchen einander. Schriber zeichnet zwischen den Treffen der beiden Frauen in Rückblenden Syra Martys Leben nach. «Mein Leben war verrückter als jeder Film», lässt sie Syra sagen. Margrit Schriber beschreibt das Leben dieser kleinen, wunderschönen Frau als Gratwanderung, als eines zwischen Glamour und billiger Absteige. Es wird deutlich, wie wenig Zärtlichkeit die Stripperin, deren nackter Körper allabendlich von Männerblicken verschlungen wurde, im Privatleben bekam. Die Ehe mit ihrem Mann und Manager war eine Zweckgemeinschaft. Es ist eine Tragödie, wie er ihre Schönheit auspresst, bis zum Letzten. Als er sie mit über 50 Jahren noch strippen lässt, blicken die Männer betroffen weg. Da hilft kein Schummerlicht mehr.
Eine tragische Geschichte
Die Biografin gibt in ihrem Roman, ihrer Interpretation von Syras Leben, den Gefühlswelten der beiden Frauen viel Raum, zeigt auf, wie vergänglich das Kapital Schönheit ist, und lässt Syra im Altersheim, wo sie nochmals Mittelpunkt ist, aufblühen. Margrit Schriber ist eine erfahrene Schriftstellerin, man erinnert sich an «Die falsche Herrin», diese bettelarme Magd aus Schwyz, die um 1750 zur Hochstaplerin wurde, oder an die Geschichte der Anna Maria Gwerder, der letzten Hexe von Schwyz. Letztlich ist auch die Syra-Story eine tragische, die einen trotz Heiterkeit in eine kleine Novemberdepression wirft.
«Syra die Stripperin» von Margrit Schriber, Roman, 220 Seiten, erschienen im Verlag Pro Libro Luzern
Bote der Urschweiz
Autor
Bote der Urschweiz
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- Literatur
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