Dieter Gemsch im grossen Saal: Er zeigt auf das Fenster, unter dem ein Mord geschehen sein soll. Seither erscheine die Weisse Frau. Bild Andreas Seeholzer
Dieter Gemsch im grossen Saal: Er zeigt auf das Fenster, unter dem ein Mord geschehen sein soll. Seither erscheine die Weisse Frau. Bild Andreas Seeholzer

Brauchtum / Feste

Wenn Niderösts Geist nachts an der Bettdecke zieht

Dieses Jahr kam der Film «Arme Seelen» von Edwin Beeler in die Kinos. Der Film bereist mystische Landschaften der Zentralschweiz, «wo Alteingesessene
noch sagenhafte Geschichten von den ‹Armen Seelen›
erzählen».

Im Dokumentarfilm kommt auch der Schwyzer Dieter Gemsch mit seiner Liegenschaft Maihof zu Wort. Gemsch sieht seinen Beitrag im Film als «Kontrast zu Alpen und Berg-Gebieten». Und vermutet: «In vielen alten Häusern gibt es Geister und Spuk, auf der ganzen Welt.» Gemsch glaubt an die Spukgeschichten, die vom Maihof erzählt werden: «Was wäre denn unser Dasein, wenn es nur aus Geld und Konsum bestehen würde – da gibt es sicher mehr.»

Maihof-Spukgeschichten

Regisseur Beeler ist ein Freund von Gemsch, und so hat dieser auch erfahren, dass es rund um den Maihof Spukgeschichten gibt. Gemsch erzählt im Dokumentarfilm die Geschichte von der weggezogenen Bettdecke. Zum Mezzanin-Geschoss des Maihofs gibt es die Sage über den General Franz Leodegar von Nideröst. Nideröst hat den Maihof um 1695 gebaut und ist auch hier gestorben. Er sei von Bediensteten mit einem Kissen im Bett erstickt worden. «Ich habe die mündliche Überlieferung von meinem Vater und Tante Martha.» Martha Farner sei eine begnadete Erzählerin gewesen, sagt Gemsch, sie habe das Büchlein «Alles und jedes hat seinen Wert» geschrieben. Gemsch steht auf und verlässt den Raum.

Der Spiegel

Für kurze Zeit sitze ich alleine da. Die Kommoden, der Tisch, die Stühle – alles ist sehr alt. Wenn die Bilder an der Wand sprechen könnten, denke ich und schaue zu einem Spiegel. Im Spiegel ist ein Teil der Zimmertür zu sehen. Irgendetwas stimmt mit dem Spiegel nicht, denke ich, was ist das bloss? Der Spiegel fasziniert, gleichzeitig stösst er ab. Gemsch kommt mit dem Buch der Martha Farner zurück. Er blättert, sucht eine Stelle. Ich schaue zum Spiegel. Er sucht immer noch, der Spiegel zieht mich in den Bann, dann hat Gemsch die Stelle gefunden: «plenäugen», sagt er, dieses Wort gefalle ihm. Wenn jemand einfach in den Raum hinein starre, tagträume, dazu habe man früher «plenäugen» gesagt. Die Tante Martha habe das in der Geschichte mit dem Milchbänkli vortrefflich beschrieben. Ich plenäuge zum Spiegel. Was will die Tür in dem Spiegel sagen?

Keine Zeit mehr zum Zuhören

Gemsch sagt, dass die Leute heute einfach keine Zeit mehr hätten zuzuhören.Wenn er in einer Wirtschaft etwas erzähle – und dazu müsse halt manchmal auch etwas ausgeholt werden – «dann schnorren die Leute stets drein». Dabei sei Geschichten zu erzählen eine Kunst, wer aber nicht zuhören könne, der könne auch nicht erzählen. Und wie genau ist das nun mit der weggezogenen Bettdecke gewesen? Im oberen Stock, sagt Gemsch, im Mezzanin-Geschoss, sei der Nideröst erstickt worden.Vom eigenen Personal. Die Mörder haben nach der Tat gestohlen, was sie tragen konnten, und sind mit der Kutsche Niderösts Richtung Süden geflohen. In Schwyz wunderte man sich, da sich der Nideröst vor Reisen immer bei den Honoritäten verabschiedet hatte. Die Mörder konnte man damals nicht verfolgen, wie man dies heute tun würde. Gemsch steht auf und verlässt erneut den Raum. Ich sitze wieder alleine da und schaue zum Spiegel. Die Tür ist offen, darin nur Dunkelheit.

Steckbriefevon Gesuchten

Gemsch kommt mit der gebundenen Fassung der Zeitung «Allgemeine Deutsche Justiz- und Polizeifama» von 1803 zurück. «Hier hat es Steckbriefe drin, von Leuten, die gesucht wurden.» Gemsch beschreibt einen Mann, langes Gesicht, graue Augen – einen Räuber. So hat man früher Verbrecher ausgeschrieben. Die Spur der Mörder von Nideröst habe sich am Langensee bei Locarno verloren, so Gemsch. Geblieben ist der Nideröst. Erst lag er nur tot in seinem Bett. Später aber, als Gäste in seinem Zimmer übernachteten, ist ihnen regelmässig die Bettdecke weggezogen worden. Er selbst habe so etwas nie erlebt, sagt Gemsch, Menschen, die hier lebten, denen passiere nichts. Gästen manchmal schon.

Lebende Zeugen

Es gäbe mehrere, heute noch lebende Zeugen dafür. Namen wolle er aus Pietätsgründen keine nennen, das müsse man schon verstehen, aber es gäbe die Zeugen wirklich. Einer sei heute 73 Jahre alt, ein Mann von stattlicher Statur. Einen Selbstversuch mit einem Gast weist Gemsch von sich

Autor

Bote der Urschweiz

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  • Brauchtum / Feste

Publiziert am

31.10.2011

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