Annina Michel erläutert das zweite Schwyzer Landessiegel aus dem 14. Jahrhundert mit der Abbildung des heiligen Martin. Bild Franz Steinegger
Annina Michel erläutert das zweite Schwyzer Landessiegel aus dem 14. Jahrhundert mit der Abbildung des heiligen Martin. Bild Franz Steinegger

Brauchtum / Feste

Wie der Franzose Martin die Schwyzer Geschichte prägte

Vor genau 1700 Jahren wurde Martin geboren – ein Heiliger, der wie kein Zweiter die Schwyzer Geschichte prägte. Am Samstag wurde er vorgestellt.

Dass der heilige Martin immer nochsehr populär ist, zeigte sich am Samstag am grossen Publikumsaufmarsch zum Vortrag von Annina Michel: Die Leiterin des Bundesbriefmuseums referierte vor rund 70 Besuchern über die Bedeutung des Schwyzer Standesheiligen in der Politik, Gesellschaft und Kultur. Der in ganz Europa populäre Heilige taucht in unserer Gegend schon im frühen Mittelalter auf – als Schutzheiliger der Pfarrei Schwyz. Weil Schwyz sich mit der Zeit zum bestimmenden Ort des Alten Landes entwickelte, wurde der heilige Martin von Tours Schutzpatron des Landes Schwyz.

Prägender Eindruck

Sein Abbild mit der Mantelteilszene prägte die Landessiegel und Schwyzer Münzen, heftete sich an Banner und Standesscheiben. Die Pfarrei Schwyz ist im Besitz einiger Haare des Heiligen, die sie im Mittelalter vom Bischof von Tours geschenkt erhielt. Monumental sein Altarbild in der Pfarrkirche. Sein Bild ziert eine Monstranz, an Prozessionen wurde bis in die neuere Zeit eine wertvolle Martinsstatue durch die Gassen von Schwyz getragen. Das Siegel mit dem heiligen Martin ab dem frühen 14. Jahrhundert kann als Ausdruck des steigenden politischen Selbstbewusstseins der Schwyzer verstanden werden. «Sein Bildnis wurde zum Symbol der Vormachtstellung von Schwyz und verbreitete sich über das eigentliche Kerngebiet hinaus», erläuterte Annina Michel den Siegeszug des Heiligen, der auch in Ausserschwyz Verehrung genoss und geniesst.

Barmherzigkeit und Bettlerjagden

Die Kirche förderte das Bild des barmherzigen Martin. Daraus entstanden Bruderschaften mit caritativen Zwecken, die den Armen halfen. Ganz im Gegensatz dazu standen die von der Schwyzer Obrigkeit geförderten Bettlerjagden: Auswärtige Bettler wurden von der Obrigkeit nicht geduldet und davongeagt. «Martin war für sie mehr der Schutzpatron als ein Vorbild», erklärte Michel dieses Verhalten. Aus dem Barmherzigkeitsgedanken entwickelten sich in Schwyz auch die sogenannten Bettelzüge, in denen Kinder von Haus zu Haus zogen und sich Lebensmittel und Backwaren schenken liessen. Dieser Brauch artete jedoch aus und derbe Szenen und Verwüstungen fanden statt. Um dies zu unterbinden, versuchte die Kirche, Gegensteuer zu geben mit Lichterprozessionen und Gesängen. Als Reminiszenz an diese Zeit erinnern an einigen Orten die Räbeliechtliumzüge der Kinder.

Schlüsseltag

Der 11. November ist der Tag der Beerdigung des heiligen Martin im Jahr 397. Das Datum hatte jedoch schon vor seiner Verehrung eine eigenständige Bedeutung, denn es war der letzte Tag vor der 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten. Auch rechtlich und ökonomisch war es ein Schlüsseltag: Der 11.11. war bis ins 20. Jahrhundert hinein ein traditioneller Zinstag, Pacht- und Arbeitsverträge wurden abgeschlossen, mit ihm begann das Winterrecht, frei über die Felder zu gehen, es fanden Märkte statt. Viele bereits bestehende Bräuche wurden nachträglich mit Martin in Verbindung gebracht: Man erfand dazu passende Legenden, wie jene der Martinsgans, wie Michel erzählte: «Die Gans war schon früher eine typische Zinsabgabe. Martin habe ein Leben in Bescheidenheit vorgezogen. Als er sich in einen Stall zurückzog, um sich dem Bischofsamt zu entziehen, hätten ihn Gänse mit ihrem Geschnatter verraten. Als Strafe dafür kamen die Gänse am Martinstag als Festschmaus auf den Teller.» Daraus ging auch der Brauch der «Gansabhauet» in Sursee hervor.

Schwindender Einfluss

Ab dem 18. Jahrhundert setzte sich auf den Schwyz repräsentierenden Wappen anstelle von Martin immer mehr das Schwyzer Wappen durch. Martin verschwand immer mehr aus dem politischen Alltag. Trotzdem sei er der prägendste Heilige von Schwyz und «Teil des kollektiven Gedächtnisses» geworden, schloss Michel ihren Vortrag.

Mantelszene machte heiligen Martin berühmt

Der heilige Martin ist eine geschichtlich verbriefte Person und lebte von 316 bis 397. Er war Soldat in römischen Diensten und ab 370 Bischof von Tours im Tal der Loire. Bekannt wurde er durch die Martinsvita, die sein grosser Verehr

Autor

Bote der Urschweiz

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  • Brauchtum / Feste

Publiziert am

22.02.2016

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