Nicolas Witte (r.) übt mit einigen Teilnehmenden das Spiel mit der Maske. Bild Franziska Kohler
Nicolas Witte (r.) übt mit einigen Teilnehmenden das Spiel mit der Maske. Bild Franziska Kohler

Bühne

Sich neugierig ans Schauspiel mit Masken herantasten

Die March ist eine Hochburg der Fasnacht und damit auch der Masken. Doch wie ist es, mit einer Maske Theater zu spielen? Im Theater-Workshop «Maskenspiel» wage ich für diese Zeitung einen Selbstversuch.

Die Aula des Seefeldschulhauses ist leergeräumt, die Sonne an diesem sommerlichen Samstagmorgen mit Jalousien ausgesperrt. Dennoch drückt die Hitze, zahlreiche Ventilatoren rattern dagegen an. Die Gruppe der Teilnehmenden am Theaterübung-Workshop mit dem Thema «Maskenspiel», mit mir acht an der Zahl, ist bunt gemischt – nicht alle ha-ben einen direkten Bezug zum Schauspiel, doch sie vereint ihr Interesse an Bewegung oder kreativer Arbeit. Ich bin erleichtert, steigen wir nicht gleich mit dem Maskenspiel ein. Der Schauspieler und Schauspiel-Trainer Kosta Andrea Sekulic lässt uns zuerst herumgehen, improvisiert derweil auf dem Flügel, aktiviert unsere Sinne und unser Körpergefühl, unser Empfinden für den Raum. Es ist gar nicht so einfach, sowohl meine Schritte und meine Körperhaltung zu kontrollieren und meine Bewegungen gleichzeitig in Bezug auf die anderen und den Raum auszurichten. So sollen wir locker durcheinander gehen und gleichzeitig stets entstehende Lücken, leere Plätze im Raum füllen. Wie Wasser oder Luft, die nachströmen. Bei der nächsten Übung komme ich ordentlich ins Schwitzen. Wir sollen uns vorstellen, wir befinden uns auf einem schwankenden Fischerboot und werfen ein schweres Netz aus, das die ganze Halle füllt, alle Anwesenden umfasst. «Schauspieler strengen sich nicht an, sie zeigen die Anstrengung», gibt uns Kosta Andrea Sekulic auf den Weg. Zugegeben: Meine Darstellung eines stürmischen Tages auf dem See gleicht eher einer gemütlichen Rundtour auf dem Wägitalersee mit dem Stand-up-Paddle. Der Theater-Trainer gibt mir eine Anregung, wie ich den Wellenschlag besser darstellen kann. Aber auch hier, wie im ganzen Kurs gilt: Richtig oder falsch gibt es nicht. Mit dem Gewicht des imaginären Netzes habe ich weniger Mühe. Gebückt raffe ich es zusammen, hebe es hoch, nehme Anlauf und werfe es mit beiden Händen und einem Seitwärts-Schwung aus. Dabei stelle ich mir vor, das Ende des Netzes möglichst breit zu führen, damit es alle Teilnehmenden im Raum umfasst. Auch diese Übung dient dazu, uns zu öffnen, uns ein Gefühl für den Körper und seine Mittel der Darstellung zu vermitteln. Auch wenn ich mir vornehme, mich dabei nicht anzustrengen, meine Muskeln tun es doch. Ein Blick in die Gesichter der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer verrät mir: Ich bin nicht allein damit.

Die neutrale Maske


Nach ein paar weiteren Übungen fühlen wir uns locker und aufgewärmt – bereit für die Masken. Kosta Andrea Sekulic hat dafür einen Experten eingeladen: Nicolas Witte. Ursprünglich stammt er aus Meilen, wohnt aber heute in Australien und tourte lange Jahre mit der Berliner Maskenspiel-Gruppe «Familie Flötz» durch Europa. Die beiden haben sich während ihrer Schauspiel-Ausbildung beim renommierten Schauspieler, Theaterpädagogen und Pantomimen Jacques Lecoq in Paris kennengelernt. Witte präsentiert uns die sogenannte neutrale Maske, die Lecoq für die Schauspiel-Ausbildung entwerfen und von einem italienischen Masken-Bauer herstellen liess. Der Geruch verrät mir: Sie ist aus Leder gefertigt und zeigt entspannte, rudimentäre Gesichtszüge. Je zu zweit sollen wir «Das erste Erwachen» darstellen. Ich lege mich hin und stelle mir vor, wie es wäre, das erste Mal zu erwachen. Alles ist neu und fremd, die Welt gilt es erst zu erkunden. Ich und meine Spielpartnerin beginnen relativ rasch, uns aufeinander zu beziehen. Wir improvisieren ein erstes Kennenlernen, eine erste Begrüssung. Auch die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer lassen sich sehr schnell auf eine Begegnung mit ihren Spielpartnern ein. So wird aus dem «ersten Erwachen» eine «erste Begegnung». Nicolas Witte nimmt es amüsiert zur Kenntnis und weist uns darauf hin, dass wir dem Aspekt des Erwachens im Spiel mehr Gewicht hätten geben sollen. Aber leichter gesagt als getan.

Der Ausdruck des Körpers


Das Spiel mit der neutralen Maske empfinde ich als fremd, sie lenkt mich ein wenig ab. Die eingeschränkte Sicht und Atmung bereiten mir zuerst Mühe, in meiner «Rolle» zu bleiben, ich empfinde es als sehr anstrengend, meine Konzentration zu wahren. Meine Gedanken schweifen einen Moment ab. Aber mit der Zeit gewöhne ich mich daran, es fällt mir zunehmend leichter, mich wieder auf mein Spiel einzulassen. Andere berichten, es wäre ihnen leichter gefallen, mit Maske zu spielen – sie hätten sich so besser auf die wesentlichen Elemente ihres Spiels, auf den Körperausdruck konzentrieren können. Mir fällt auf, dass Gefühle und Emotionen trotz der neutralen Gesichtszüge stark zum Ausdruck kommen. Allein durch die Körperhaltung. Auch andere Teilnehmende sprechen das Phänomen an. Dies wird besonders deutlich, als ein Teilnehmer eine imaginäre Abschiedsszene spielt. Auch ohne Mimik erkennen wir seine Unsicherheit und Trauer. Dennoch wirkt das Neutrale der Maske ein wenig befremdend. Nicolas Witte räumt ein, dass diese Maske auch gewisse Grenzen aufweist. Am Ende ist es dennoch genau diese Maske, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am meisten fasziniert hat – sowohl im eigenen Spiel wie auch als Zuschauerinnen und Zuschauer. Witte präsentiert im Laufe des Workshops noch weitere Masken, unter anderem auch Fasnachtsmasken aus der Region. Diesen nehmen wir uns nicht an. Wir nutzen aber drei weisse Masken mit ganz rudimentären Gesichtszügen,nur eine Nase und kleine Augenlöcher, die an Larven der Basler Fasnacht angelehnt sind. Das Spiel damit ist schwierig – ich ziehe meine rasch wieder aus, da sie mir auf den Kehlkopf drückt und immer wieder runterrutscht. Sehen kann ich auch nichts – mein Atem klingt wie der von Darth Vader, dem Bösewicht in «Star Wars». Schwämme unter dem Gummiband soll dem Verrutschen entgegenwirken. Denn eine Maske soll gut sitzen, damit sie ein kontrolliertes Spiel erlaubt.

Improvisation mit Anleitung


Ein Spielpartner und ich sollen mit diesen Masken eine Begegnungsszene spielen. Wir sollen aufeinander zuschreiten, im Charakter unserer Maske, unschlüssig, ob wir uns kennen oder nicht und dann entscheiden, ob wir als Bekannte aufeinander zugehen oder weiterziehen. Wir entscheiden, uns doch nicht zu kennen. Allerdings spielen wir alles zur Fensterfront hin, weg vom Publikum. Nicolas Witte erinnert uns daran, wofür wir dies alles tun: für das Publikum. Also wiederholen wir die Sequenz, diesmal auf die zuschauenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer bezogen. Nach weiteren Übungen dürfen wir uns eine Maske auswählen und uns damit auseinandersetzen. Was stellt sie dar? Welche Emotionen vermittelt sie? Ein Teilnehmer wählt eine der Masken, die Nicolas Witte selbst entworfen hat, mit leicht melancholischen Gesichtszügen und einer langen, spitzen Nase, die aber dennoch auch eine Spur von Schalk zeigt. Traurig wischt die Gestalt mit gesenktem Kopf den Boden und einmal mehr offenbart sich die Rolle der Körperhaltung im Maskenspiel. Dass es mit dieser Maske auch frohen Mutes geht, zeigt der zweite Teil der Performance. Die Figur zeigt ihre Freude in einem wilden Tanz. Ich wähle eine der Halbmasken, die an die Figur des Arlecchino, dem Harlekin, in der Commedia dell’arte, dem traditionellen Theater in den italienischen Gebieten der frühen Neuzeit erinnert. Die Maske mit ihrer Andeutung von Teufelshörnern ist sehr ambivalent. Nicolas Witte weist mich an, meine Freude zu zeigen. Mein närrischer Freudentanz entwickelt sich immer mehr zu einem Boxkampf und ich füge schliesslich Karate-Elemente hinzu – schliesslich ist der Arlecchino einer, der sich durchschlägt. Die Halbmaske erlaubt zudem den Einsatz der Sprache – was bislang im Maskenspiel keine Rolle spielte. Ich überlege, ob ich meine Stimme verstellen soll, damit sie zur Maske passt. Entscheide mich aber dagegen. Viel zu sagen gibt es sowieso nicht – ausser ab und zu einem Schrei, um die Schläge und Tritte zu untermalen. Zum Schluss zeigt uns Nicolas Witte eine Clownnase – «die kleinste Maske der Welt», wie sie Lecoq nannte. An diese traute sich aber niemand heran.

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger /Franziska Kohler

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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  • Bühne

Publiziert am

21.07.2022

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