Franz Kälin, Oliver Rihs und Anatole Taubman (von links) beim Podiumsgespräch in der Cineboxx. Foto: Urs Fink
Franz Kälin, Oliver Rihs und Anatole Taubman (von links) beim Podiumsgespräch in der Cineboxx. Foto: Urs Fink

Film

Zwei Schweizer Film-Cracks und der Ausbrecherkönig Walter Stürm

Schauspieler Anatole Taubman und Regisseur Oliver Rihs gaben letzten Freitag in der Cineboxx ihr Debüt zur Filmpremiere «Stürm – Bis wir tot sind oder frei». Unter der Moderation von Franz Kälin stellten sie sich den Fragen des Publikums und boten Einblick hinter die Kulissen einer international lancierten Filmproduktion.

Wer kennt ihn nicht und hat irgendeine Erinnerung an ihn? Rund zwanzig Jahre lang beschäftigt Walter Stürm mit seinem kriminellen Handeln die Justiz. Anfänglicher Beweggrund ist seine Schwäche für teure Autos. Die Justiz scheint machtlos und greift immer zu drastischeren Strafen – bis hin zur Isolationshaft. Achtmal ist er ausgebrochen und hat die Polizei an der Nase herumgeführt. Schlagzeilen macht sein Ausbruch 1982, mit der Notiz: «Bin beim Ostereiersuchen, Stürm».

Zwischen Fiktion und Realität


Stürm ist eine der faszinierendsten Figuren der Schweizer Kriminalgeschichte und er polarisiert: Will er politische Veränderungen oder ist er einfach ein Egoist, der auf Selbstdarstellung bedacht ist? Genau dieses Spannungsfeld öffnet sich im Film «Stürm – bis wir tot sind oder frei». Die idealistische Rechtsanwältin Barbara Hug trifft auf ihren eigenwilligen Klienten. Stürm, der sich mit dem überforderten Rechtssystem anlegt. Er kennt fast keine Grenzen, ist kreativ und provoziert mit seinen Ausbrüchen und Hungerstreiks den Staat. Er legt sich mit dem starren Justizsystem an. Dafür zahlt er einen hohen Preis. Barbara Hug, die politisch motivierte, hartnäckige Rechtsanwältin, wird zu seiner Begleiterin. Stürm avanciert in seiner kriminellen Karriere überraschend zu einer politischen Figur – er wird für viele Schweizerinnen und Schweizer zum bewunderten Rebellen. Während des Podiumsgesprächs mit Anatole Taubman und Oliver Rihs bestätigt eine Zuschauerin diese Vermutung und schildert, wie sie jeweils die Nachrichten verfolgte und Stürms Ausbrüche bewundert habe. Taubman relativierte Stürms Heldenstatus und wies darauf hin, Stürm sei sicherlich von einer schweren Jugendzeit geprägt. Später habe er aber die Meinung in der Gesellschaft gespalten und polarisiert. Einige machten ihn zur Gallionsfigur der linken Bewegung. Andere wiederum sahen in ihm einen skrupellosen Egoisten, der andere ausnutzte für seinen eigenen Weg.

Gegenwartsbezug – Was ist Freiheit?


Der Film ist eine Hommage an die Freiheit und ihre Grenzen. Nach seiner Entlassung sagt Stürm zu seiner Anwältin: «Freiheit ist das, was man sich nimmt.» Eine Aussage, die zur jetzigen Situation treffender nicht sein könnte. Die Frage zur Freiheit steht aktuell im Fokus unserer Gesellschaft und wird alltäglich sehr emotional und konträr diskutiert. Stürms Sicht der Freiheit würde wahrscheinlich in der aktuellen Diskussion einiges relativieren und auf den Boden bringen, da er den Freiheitsentzug, Isolationshaft und die harten Bandagen der Justiz erlebt hat und weiss, was das heisst. Seine Sicht der Freiheit ist aus der Erfahrung und dem Leben gewachsen und hat ihn geprägt – er kämpft mit allen Mitteln gegen diese Unfreiheit.

Geschickte Rollenbesetzung – wie ein Schauspieler tickt


In den Hauptrollen sind die Schauspieler Joel Basman als Walter Stürm und Marie Leuenberger in der Rolle von Barbara Hug. Basman überzeugt mit seiner facettenreichen, lebensnahen Art, wie ein Chamäleon lässt er die charakterliche Veränderung Stürms aufschimmern. Marie Leuenberger berührt mit ihrer unspektakulären Art der Darbietung und emotionaler Ausstrahlung, ohne sie kommt Stürm nicht weiter. Anatole Taubman spielt im Film den Ankläger Peter Rothenburger. Gefragt zu den Vorbereitungen seiner Rolle führt er anschaulich aus: Er verstehe sich jeweils als Architekt, der ein Haus baue und dieses idealerweise beim ersten Drehtag durch eine Türe betrete. Wie ein Architekt brauche er Baupläne, beim Film sei es das Drehbuch. Im Gespräch mit dem Regisseur erschliesse er den Charakter der Figur. Weiter informiere er sich über die entsprechende Zeitepoche und lese sich ein. In diesem Fall sei es nicht so schwierig gewesen, da es diesen Peter Rothenburger wirklich gegeben habe. Als Schauspieler müsse er die Figur ohne Wenn und Aber verstehen und lieben. Um authentisch zu wirken, sei er immer auf der Seite seiner Figur – er bewohne sie.

Spannend bis zum Schluss


Der Film überzeugt durch seine feine, vielschichtige Erzählweise mit herausragenden Schauspielern. Die Spannung bleibt bis zum letzten Moment erhalten. Das Finale des Films ist geschickt arrangiert und lässt Stürm und Hug nochmals als ganz unterschiedliche Menschen aufscheinen, die im Leben eine Chance sehen oder eben nicht.

Einsiedler Anzeiger / Urs Fink

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

23.11.2021

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