Musik

Bekenntnis zum Vinyl: «Die Schallplatte ist ein ästhetischer Gegenstand»

Ende Monat erscheint «Liminal», die erste Platte von Eleonora Em. Die Laufbahn der Pianistin begann auf einem Klavier in Taschkent. Es folgten gewonnene Wettbewerbe und jede Menge Kilometer. Beim Lunch erzählt sie vom langen Weg zum Vinyl.

Eleonora Em ist Pianistin. Mit besonderer Lebensgeschichte. Und eigener Platte. Die erscheint am 27. September. Em ist glücklich. Es war ein langer Weg. Er startet in Usbekistan. Er endet in Rapperswil. Mit vier Jahren sass die heute 38-Jährige erstmals am Klavier. In der Sowjetunion. Einer anderen Welt. «Mein Vater war Professor für Ökonomie und Rektor der Universität in Taschkent, ein angesehener Posten. Da gehörte es sich, dass ein Kind Ballett macht oder ein Instrument spielt.» Klavier, Privatlehrerin und eine Erkenntnis. «Es stellte sich heraus, dass ich ein absolutes Gehör habe.» Es folgten eine Schule für begabte Kinder und das Konservatorium in Taschkent. Dass die kleine Eleonora Klavier lernen würde, war gleich klar. «Ich kann nicht erklären, warum.» 1993 zog die Familie – die Eltern stammten ursprünglich aus Korea – nach Russland. Dies, weil die politische Situation in Usbekistan nach dem Zerfall der Sowjetunion sehr instabil war. Bereits früh wurde Em von der Klavierlehrerin an ihren ersten Wettbewerb geschickt – Platz eins. Die Pianistin war sieben Jahre alt und realisierte: «Ich kann mit meinem Spiel wirklich etwas bewirken.» Seit damals, sagt sie, sei sie in dem «Business». «In Russland bist du von Wettbewerb zu Wettbewerb gegangen. Immer wieder grössere Wettbewerbe, auch internationale.» 2007 trat sie in Italien bei einem internationalen Wettbewerb an. Sie holte den ersten Platz, nahm die 2000 Euro Preisgeld, ging nach Zürich, bestand die Aufnahmeprüfung für die Hochschule der Künste und machte zwei Master-Abschlüsse: das Konzert- und das Master- Solisten-Diplom Klavier.

 

Werke, Eigenarten und Glück

Das Wichtigste in Eleonora Ems Leben: die Familie. Der Mann, die Kinder. Dann gleich die Musik. Sie unterrichtet, gibt Konzerte. Wenn ein solches ansteht, übt sie sechs bis acht Stunden am Tag. Der Punkt, an dem der Spass verloren geht, sei noch nie gekommen, versichert Em. Weil es immer unterschiedliche Stücke seien. «Jedes Werk ist eine Welt für sich. Du weisst nie, was auf dich zukommt.» Talent und harte Arbeit reichen übrigens nicht aus für den Erfolg. Die Pianistin lacht. «Dazu kommt ein dritter Aspekt: Glück. Glück, dass du zur richtigen Zeit in der richtigen Situation bist. Wenn ich mich mit einem gleich starken Pianisten auf einen Wettbewerb vorbereite, dann teilen wir die Chance auf den Sieg. Wenn aber jemand antritt, der schwächer ist, dann gewinne ich, obwohl ich immer gleich gut spiele.» Em ist an etwa 20 Wettbewerben angetreten. «Manchmal hilft es, dass du wirklich sehr fleissig warst. Manchmal, dass du ein schwierigeres Programm genommen hast, als die anderen. Manchmal bist du in so einer guten Form, dass du die Leute mit deiner Ausstrahlung überzeugen kannst.»

 

Die Platte: ein Herzenswunsch

Am 27.September wird die Musikerin bei ihrem Konzert im Haus der Musik in Rapperswil die Platte «Liminal» zum ersten Mal verkaufen. Kosten und Mühen einer Schallplattenproduktion in Zeiten von Streaming? «Die Schallplatte ist ein ästhetischer Gegenstand. Ich hatte das Glück, einen Produzenten aus Lachen kennenzulernen, der auf Schallplatten spezialisiert ist. Die Aufnahmen haben wir im Klaviergeschäft Piano Sigrist in Hinwil gemacht. » Produzent Igor Yuszupov wäre nur mit der Schallplatte glücklich gewesen, aber Em wollte dem Vinyl noch eine CD beilegen. Weil es das erste Mal ist, dass Ems Musik auf Vinyl gepresst wird, hat sie die Stücke so gewählt, dass sie möglichst vielen Menschen gefallen. Die erste Seite: klassisch-romantisch (Joachim Raff, Percy Grainger), die B-Seite: moderner (George Gershwin, Nikolai Kapustin). «Die erste Idee für das Projekt stand vor einem Jahr in der Luft. Die ersten Schritte haben wir im März gemacht, im April die Aufnahmen, im Mai Fotoshootings und Videodrehs. Im Juni haben wir an der Aufnahme selbst gearbeitet, im August folgte die Broschüre.» Das Resultat kann sich sehen lassen. Die Platte gibt es in schwarzem und orangefarbenem Vinyl (Deluxe-Version). Interessant: Produzent Yuszupov produziert normalerweise Pop. «Für ihn war es das erste Mal, dass er sich mit dem klassischen Bereich auseinandergesetzt hat. Für mich war es die erste Aufnahme. Ich habe bei diesem Projekt viel gelernt.»

 

Atmosphäre und Lampenfieber

Zu jedem Plattenrelease gehört eine Tournée. Von 27. September bis 2. Juni 2026 wird Em mehrere Konzerte spielen. Mit prominenter Unterstützung. Los geht’s am 27. September im Haus der Musik, Rapperswil. Darauf freut sie sich besonders. «Ich spiele mit Urs Bamert und werde zum ersten Mal die Schallplatte in Händen halten und verkaufen.» Weitere Auftritte folgen unter anderem in Richterswil, Lachen, Altendorf und Wollerau. Vor Menschen zu spielen, das sei in erster Linie wie ein Gespräch, sagt Em. Zwischen ihr, dem Flügel, dem Publikum. «Ich versuche, darauf zu reagieren, was passiert. Und dann ist da die ganze Atmosphäre, das Unsichtbare, das du weder beschreiben noch steuern kannst.» Aber man müsse damit umgehen können. Ob es die kleine oder grosse Bühne ist, macht für Em keinen Unterschied. «Man muss immer alles geben.» Gut hat man als Profi kein Lampenfieber mehr. Oder? «Nervös sein, im Sinne eines höheren Adrenalinpegels, ist etwas Positives. Dadurch kannst du ja erst herausragende Leistungen brin-gen. Es ist wie im Sport.» Vor dem Konzert hat die Pianistin ein Ritual: ein paar Minuten Ruhe. «Mit niemandem sprechen. In den Fokus zu gehen.» Und dann: spielen. Informationen, Platten und Tournee-Daten: www.liminalinmusic.ch

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Michel Wassner

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Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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  • Musik

Publiziert am

25.09.2025

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