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Sogar der Meisterdetektiv wird dement!

Die Willerzeller Theaterleute bringen heuer erstmals keinen Schwank – nach 39 Aufführungen in diesem Stil. Sie wechselten das Genre und bespielen die Welt der Gaunerkomödie – spannend bis zur letzten Sekunde, humorvoll und ja, auch emotional.

Schon erstaunlich, was das kleine Dorf hinter dem See jedes Jahr zustande bringt. Ihr Reservoir an Schauspielerinnen und Schauspielerin scheint unerschöpflich. Die zehn Rollenträgerinnen und Rollenträger unterhalten das Publikum auch dieses Jahr wieder aufs Trefflichste. An diesem Theaterabend gibt es zwei Zeitansagen. Erstens: Die Aufführung beginnt um 20 Uhr. Und zweitens: Arsène Lupin begeht seinen Raub genau um 24 Uhr – von ihm persönlich angekündigt! Doch schön der Reihe nach. Die Zuschauer sitzen brav auf ihren gepolsterten Sitzen und harren erst der Dinge, die da kommen sollen. Arnold Gyr begrüsst die Anwesenden. Er stellt auch die neue Regie vor, die von Rebecca Kälin und Elias Auf der Maur besorgt wird. Ja, und dann könnte das Spiel, denn das ist es zwischen den zwei Hauptpersonen, eigentlich losgehen.

 

Zum Autor des Stücks

Atréju Diener, 1987 in Zürich geboren, lebt heute in Winterthur. Der ehemalige Journalist leitet seit 2023 das Lektorat des Breuninger Theaterverlags, des grössten Theaterverlags der Schweiz. Schon als Jugendlicher stand er regelmässig auf Amateurbühnen, seit 2005 ist er aktives Mitglied einer Theatergruppe in Zürich. Als Autor hat er sowohl eigene Komödien geschrieben als auch Klassiker neu bearbeitet. Einige Stücke gehören heute zu den meistgespielten Komödien im Land – und fin-den darüber hinaus auch international Anklang. Mittlerweile wurden seine Werke in acht verschiedenen Ländern aufgeführt.

 

Arsène Lupin nimmt Zuschauer mit 

Ein ungewohnter Einstieg ins Stück: Der Meisterdetektiv erklärt einige wichtige Details, die es braucht,um erfolgreich zu sein. Also: Um als Dieb/Meistergauner erfolgreich zu sein, muss er gesehen werden, ohne dass man ihn sieht! Wie das geht – nur so ist man erfolgreich. Nichts geht über eine erfolgreiche Tarnung! Und so werden die Zuschauer samt den Schauspielern aufs Glatteis geführt. Das Geschehen spielt im «Venedig-Simplon-Orient-Express », dem berühmten nostalgischen Luxuszug. Mit ihm reist die Prominenz von damals von Paris nach Venedig. Hauptsächlich, um gesehen zu werden. Man zeigt, was man hat. Und das ist in diesem Fall ein Collier der französischen Königin, getragen und gekonnt präsentiert von Sophie von Falkenstein.

Viele andere Figuren

Die andern Figuren kommen ins Spiel. Da sind weitere, zum Teil dubios/skurrile Gäste, notwendiges Luxuszugs-Personal und natürlich der immer einen Zug zu spät kommende Polizei-Inspektor Ganimard. Es wird nun geheimnisvoll-spannend, als Frau von Falkenstein einen Brief erhält, der ankündigt, dass ihr wertvolles Collier an diesem Abend genau um 24 Uhr gestohlen wird. Bestürzung und Entsetzen rundum; auch wir auf den Rängen können uns nicht vorstellen, wie das gehen soll. Ja, ja, das bringt halt nur ein genialer Dieb zustande, unter Bewachung erfolgreich zu sein. Fast unnötig, zu erwähnen, dass auch andern Gästen und Personal Gegenstände abhanden kommen. Der Kommissar ist lei-der nur fast so intelligent wie der Meisterdieb und kommt immer einen (Schach)-Zug zu spät.

Der Raub gelingt trotz Tresor, trotz dreifacher Bewachung. Und was nun? Das Collier muss her! Das Ganze wird zum «Fall», verlangt nach Aufklärung, Personen werden verdächtigt und entlarvt. Nur eben anders, als fallgerecht. Andere Verbrechen kommen ans Tageslicht, tragische Ereignisse werden ausgebreitet. Auf der Suche nach der Wahrheit werden modernste Mittel eingesetzt, die zwar verblüffen, aber doch nicht alltagstauglich sind.

 

Ja, wie kommt man Lupin auf die Schliche? 

Polizeiinspektor Ganimard reitet auf der richtigen Spur: Der Dieb ist eitel, sucht die Bühne. Er analysiert anhand der verschiedenen aufgefundenen Schachfiguren, dass das wieder mal ein «Spiel» ist zwischen den beiden Hauptprotagonisten, ein Katzund- Maus-Spiel. Und Ganimard erkennt: «Heute bin ich die Katze! » Das «Meisterwerk» wird Zug um Zug aufgeklärt. Sogar die Zuschauer werden ins Geschehen miteinbezogen, erhalten physisch einen Teil der Beute! Ja, sind denn nun alle Mitreisende in diesem verruchten Zug, und wird Arsène Lupin gar zum Robin Hood, der den Reichen nimmt und es an die Armen verteilt? Man reibt sich die Augen, begreift nicht mehr. Wurde man zum Mittäter, zum Profiteur? Ist der Mensch ein leicht manipulierbares Geschöpf in den Händen eines Genies? Der Fall wird gelöst, Sophie von Falkenstein erhält ihr Collier zurück. Ist die Welt nun wieder in Ordnung? Nein, die Pointe folgt noch. Und die sei nicht verraten. Man tappt bis in die letzten Sekunden buchstäblich im Dunkeln. Der Zuschauer ist froh, diesem Verwirrspiel entkommen zu sein, wenn auch fast im Nachgang und tragisch zu nennen. Der Meisterdieb wird einem nach dieser Zeitreise sympathisch, berührt gar. Menschliches Schicksal bleibt halt auch einem Genie nicht erspart. So sind wir als am Ende auch Beteiligte noch gut davongekommen! Das feuchtkalte «Draussen » lässt uns im dichten Nebel verschwinden. Und passt mit all den nun gelösten Geheimnissen perfekt zum Stück.

 

Regie-Duo und Schauspieler

Das Regisseur-Duo Rebecca Kälin und Elias Auf der Maur bestand seine Feuerprobe sowohl bei der Auswahl der Rollenträger als auch in der Gestaltung des Spiels. Und sie hatten ja auch noch ihre Rollen im ganzen Geschehen – sehr gut gemeisterte Doppelbelastung. Die beiden Hauptprotagonisten, Fredy Stössel als Arsène Lupin und Arnold Gyr als Polizeiinspektor Henri Ganimard, prägten den Abend auf eindrückliche Weise. Überhaupt, das ganze Ensemble lebte diese spannende Zugfahrt. Einzelne Rollenträger herauszuheben ist fast unmöglich. Doch, Simona Birchler fügte sich als «Neuling», als schusselige Assistentin, lückenlos ein. Und es muss schon gesagt sein: Die Rollenbesetzungen sind jedes Jahr toll, die Charaktere treffend wiedergegeben. Willerzell ist ein «Theaterdorf».

 

Hinweis

Weitere elf Aufführungen. Details unter https://www.tg-willerzell.ch/
Bitte den Vorverkauf nutzen unter Telefon 077 457 54 53.

 

Einsiedler Anzeiger / Paul Jud

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne
  • Volkstheater

Publiziert am

31.12.2025

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www.schwyzkultur.ch/CPwtk9