Die Stimmung ist am Boden: Das Zusammentreffen von zwei Ehepaaren, gespielt von Renato Küttel (von links), Sandro Tobler, Maria Nobs und Verena Singer offenbart Abgründe. Bild: PD
Die Stimmung ist am Boden: Das Zusammentreffen von zwei Ehepaaren, gespielt von Renato Küttel (von links), Sandro Tobler, Maria Nobs und Verena Singer offenbart Abgründe. Bild: PD

Bühne

Turbulente schwarze Tragikomödie für den Alltag

Die Bühne 66 feierte am Samstag Premiere mit «Der Gott des Gemetzels».

Wo soll man dieses Bühnenstück einordnen? Kammerspiel ist zu harmlos, Tragikomödie zu überzeichnet, schwarze Komödie ungenügend. Am ehesten ist «Der Gott des Gemetzels» das alles zusammen. Ein irrwitziges Stück von Erfolgsautorin Yasmina Reza, das im Alltag anzusiedeln ist und eine an sich banale Angelegenheit total eskalieren lässt. Ein Schüler hat mit einem Stock einem andern zwei Zähne ausgeschlagen, was die Elternpaare nun gütlich zu regeln versuchen. Versuchen, denn das bietet Potenzial für Kontroversen, Anschuldigungen, ständig wechselnde Koalitionen, Turbulenzen und Konflikte erster Klasse. Und das alles so, wie es um die Ecke zwei Häuser weiter stattfinden könnte.

Nur vier Personen auf der Bühne


Die Bühne 66 hat mit dieser Stückwahl erneut Mut gezeigt. Letztes Jahr stand mit «Giulias Verschwinden» ein Grossaufgebot von Schauspielenden, Komparsen und bei der Produktion im Einsatz. Jetzt agieren zum «Gemetzel» nur vier Personen auf der offenen Bühne. Dementsprechend sind sie stark gefordert, mit viel Text, pausenlos in einer engen Dramaturgie von Regisseur Zälli Beeler und in ständig wechselnden Beziehungen untereinander. Das haben Maria Nobs als Verena Hodel, Renato Küttel als Michael Hodel und als zweites Ehepaar Verena Singer als Annette Ruchti und Sandro G. Tobler als Alain Ruchti äusserst überzeugend bewältigt. Bei diesen Anforderungen musste die Regie zwangsläufig auf die starken Spieler der Bühne 66 setzen. Nobs spielt die zwanghaft-naive Weltretterin, Küttel den geerdeten, zuerst nach Harmonie trachtenden und ständig von Mutters Telefon genervten Ehemann, Singer die enttäuschte und unverstandene Gattin des Businessman und Tobler den zynischen Anwalt, der über Leichen geht. Das ergibt einen Cocktail, der nicht zuerst auf den kredenzten Cognac warten muss, sondern schon genug geladen ist. Das Kammerspiel – übrigens 2006 in Zürich uraufgeführt und 2011 von Roman Polanski verfilmt – kommt zuerst harmlos daher, recht brav. Dann aber zündet schnell die Lunte. Die Aufführung nimmt enormes Tempo auf und wird sehr wirblig. Die ganze Palette menschlichen, allzu menschlichen Verhaltens wird von diesem Quartett auf der Bühne ausgespielt. Was an Tragik darin steckt, das unterläuft die Autorin mit sehr witzigen Anspielungen und Sequenzen. Das ist sehr unterhaltend, löst viele Lacher auf offener Szene aus, kann aber auch im Hals stecken bleiben, wenn die Anspielungen auf den Zuschauenden selber zurückfallen, weil im Witz letztlich die Realität steckt. Etwas wie schwarzer Humor eben. Etwas irritierend wirkt höchstens, dass die Figur des Ruchti seinem Gesprächspartner am Handy kaum Zeit zum Atmen lässt. Kleine Kunstpausen wären da hilfreich. Auch das Bühnenbild ist etwas gar brav geraten. Umgekehrt glänzt die Regie mit einigen sehr gelungenen Einfällen, wie etwa dem Einstieg ins Stück nach der Pause. Der Besuch dieses «Gemetzels» ist sehr empfehlenswert. Ein echtes Theatervergnügen. Und übrigens: Wundern Sie sich nicht, wenn zu Beginn auf Ihrem Sitzplatz eine Kotztüte liegen wird. Es ist keine Anspielung, sondern erklärt sich während des Spiels von selbst.

Bote der Urschweiz / Josias Clavdatescher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

01.05.2023

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