«Sie kann zaubern»: Thomas Hürlimann (links) über die Arbeit der Regisseurin Barbara Schlumpf (hier mit Hauptdarsteller Zeno Schneider). Bild Urs Fink
«Sie kann zaubern»: Thomas Hürlimann (links) über die Arbeit der Regisseurin Barbara Schlumpf (hier mit Hauptdarsteller Zeno Schneider). Bild Urs Fink

Bühne

«Auf seine Rolle zurückgeworfen»

Mit seinem neuesten Stück kehrt Thomas Hürlimann zur Theatergruppe Chärnehus zurück. Die Schauspieler und den Autor verbinden grosse Erfolge – und das Älterwerden.

Victor Kälin: Casanova verführt die Frauen. Sind Sie auch verführt worden – von der Theatergruppe Chärnehus, doch endlich wieder einmal ein Stück zu schreiben?

Thomas Hürlimann: Ich besuchte vor zwei Jahren eine Aufführung der letzten Produktion der Chärnehüsler, «Seegang», ein Stück von Gisela Widmer, und war von Barbara Schlumpfs Inszenierung und von den Schauspielern begeistert. Beim anschliessenden Zusammensitzen kam dann eine nostalgische Stimmung auf. Wir erinnerten uns an gemeinsame Taten, angefangen beim «Franzos im Ybrig», und auf einmal fragte Rosmarie Oechslin: «Hast du nicht Lust, wieder ein Stück für uns zu schreiben?» Das war der Anfang. Und sehr bald wurde die Frage konkret. Rosmarie Oechslin und Marann Schneider tauchten bei mir auf, und ich merkte rasch, dass ich es mit zwei entschlossenen, hart verhandelnden Theaterdirektorinnen zu tun hatte.

Was gab konkret den Ausschlag, worin besteht der Reiz, nach so langen Jahren mit einem neuen Stück nach Einsiedeln zurückzukehren?

Ich kann bei solchen Gesprächen nur dann zusagen, wenn mir gleich eine Idee kommt. Das war hier der Fall. Vor einigen Jahren hatte ich in einem Stück von Hugo von Hofmannstal eine tolle Szene gelesen. Aus einer Anmerkung erfuhr ich, dass der Grundeinfall von Casanova stammt. Das blieb in meinem passiven Gedächtnis, und als mir, Jahre später, bei einem meiner vielen Umzüge, Casanovas Memoiren in die Hände gerieten, begann ich darin zu blättern. Zu meiner Überraschung stiess ich auf das Wort Einsiedeln. Statt weiter meine Bücher einzuräumen, las ich fasziniert, wie Casanova einmal Mönch im hiesigen Kloster werden wollte.

Warum hielten Sie Casanova für einen geeigneten Stoff für das Chärnehus?

Weil ich sofort dachte: Euere Theatergruppe ist dafür perfekt geeignet. Im Chärnehus machen viele schöne Frauen mit, alle sehr gute Schauspielerinnen, und Zeno Schneider ist die Idealbesetzung für den Casanova. Bereits bei der Verhandlung mit den Direktorinnen stand das Stück in den Grundzügen fest.

Wollten Sie das ohnehin schreiben – egal für welche Theatergruppe?

Nein. Das hätte ich nie gemacht. Theater ist eine Gegenwartskunst. Da schreibt man für einen konkreten Anlass, für bestimmte Schauspieler. So sind fast alle grossen Stücke entstanden, etwa jene von Shakespeare oder Molière. Nestroy zum Beispiel schrieb für sich jeweils die Hauptrolle, sein Freund Wenzel Scholz war meist sein Diener, und noch heute spielen die Schauspielerinnen höchst ungern jene Rollen, die Nestroy für seine Frau geschrieben hat. Er arrangierte es nämlich so, dass diese Rolle nie zusammen mit ihm auf der Bühne steht. Solche Äusserlichkeiten können und sollen die Dramaturgie eines Stücks beeinflussen. Im Theater denkt man stets von der Bühne her. Das Wichtigste ist die Aufführung. Kann man eine Rolle nicht besetzen, hat es keinen Sinn, sie zu schreiben.

Sie haben die Rollen für konkrete Personen geschrieben. Wie gut meinen Sie, diese noch zu kennen?Jahre liegen seit dem letzten Hürlimann-Theater zurück – und immerhin sind es nicht weniger als 20 Mitwirkende.

Für ein Stück ist es gut, wenn ich die Leute nicht intim, sondern eher oberflächlich kenne. Uns allen ist dieser Effekt aus dem Leben bekannt. Wenn sich zwei Leute verlieben, wissen sie in der Regel mehr voneinander als nach mehreren Jahren des Zusammenlebens. Beim Kennenlernen, bei der Liebe auf den ersten Blick, sieht man den Typus. Ist man lang miteinander verheiratet, weiss man zwar einen ganzen Haufen vom Partner, aber den Typus hat man aus den Augen verloren. Als Theaterautor muss man Typen schaffen – deshalb darf ich vom komplexen Innenleben der Schauspieler, für die ich schreibe, gar nichts wissen.

Wenn Sie wählen könnten: Schreiben Sie lieber für eine Ihnen bekannte Gruppe – oder spielt das für Sie keine Rolle?

Ich schrieb nur mein erstes Stück aufs Geratewohl hin. Ich hatte dann das Glück, dass es beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens von grandiosen Schauspielern, etwa Otto Sander, gelesen wurde.

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

17.10.2017

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