In Gersau ergänzten Musik und Landschaft sich gegenseitig zu gemeinsamer Pracht. Bild: Philipp Schmidli (28. Juli 2018)
In Gersau ergänzten Musik und Landschaft sich gegenseitig zu gemeinsamer Pracht. Bild: Philipp Schmidli (28. Juli 2018)

Musik

Auch mal raue Töne und krasse Emotionen

Das Stradivari-Quartett zeigte in zwei Konzerten sein facettenreiches Spiel. In Schuberts Oktett mit Bläsern und Kontrabass wuchsen die Musiker zu orchestraler Klangfülle zusammen. Es fehlte auch ein kleiner musikalischer Schrecken nicht.

Das Stradivari-Fest Gersau 2018, das gestern zu Ende ging, weist neben einer Erweiterung auf vier Tage auch noch eine zusätzliche Besonderheit auf: 30 chinesische Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien aus China angereist waren und alle Konzerte besuchten, hatten einige Tage an Workshops in Violine, Bratsche und Klavier teilgenommen. Nun bekamen sie im Anschluss an das Stradivari-Konzert am Freitagabend ihre Urkunden, die sie stolz, teilweise auch schüchtern, entgegennahmen. Zuvor erklangen die Streichquartette von Ravel und Debussy zum Träumen und Staunen, Strawinskys «Trois pièces pour quatuor à cordes» als (für manchen befremdlicher) Kontrast. Aber alle drei Kompositionen waren in den Händen des Stradivari-Quartetts bestens aufgehoben. Da wurden die impressionistischen Feinheiten in allen Stimmungen intensiv hörbar. Man konnte hautnah erleben, welchen Farbenreichtum die vier Ausnahmemusiker zu exotischen Klangteppichen verwoben.


Ein akustisch interessanter Raum


Die sehr gut besuchte Pfarrkirche St. Marcellus in Gersau war der akustisch interessante Raum für das hochkarätige Konzert, in dem das Stradivari-Quartett seine betörenden Klänge in alle Nischen und Verzierungen der Kirche ausbreitete. Maurice Ravels Streichquartett F-Dur op. 35 bestach durch flirrende, irrlichternde Melodien, die durch alle Instrumente schwebten. Xiaoming Wang liess die Töne seiner Violine leuchtend aufsteigen, und Sebastian Bohren verband sein ausdrucksvolles Violinspiel innig mit den warm schimmernden Bratschenklängen von Lech Antonio Uszynski. Maja Weber entlockte ihrem Cello neben den tiefen Tönen auch helle Farben wie Violine und Bratsche. Wunderbar leicht spielten alle vier das Pizzicato im zweiten Satz, liessen Töne wie zartbunte Schmetterlinge umherschwirren, um dann die vielen Tonart- und Rhythmuswechsel im letzten Satz wie aus einem Guss zu gestalten. Die drei kleinen Stücke von Igor Strawinsky forderten vom Quartett ungewohnte Töne. Fast erschreckend rau waren die scharfen Klänge in «Danse», clownesk hüpften, stolperten die Töne durch «Eccentrique», und «Cantique» verblüffte mit glasharfenartigen Klängen und einem Ende, das man nicht als solches wahrnahm, so leise verschwanden die Töne im hohen Raum. Dass Ravel sich an Claude Debussys Quartett g-Moll op. 10 orientiert hatte, wurde in der Interpretation des Stradivari-Quartetts besonders hörbar. Und wieder entfalteten sich die impressionistischen Klangfarben so fantastisch und bezaubernd, dass der Beifall nicht enden wollte.


Mendelssohn-Bartholdy hätte das gefallen


Zum Glück gab es Zugaben: hinreissend «Libertango» von Astor Piazzolla und zauberhaft zwei chinesische Stücke, die in ihrer Pentatonik die impressionistischen Klänge aufnahmen. Nach einem Ausflug der Mitglieder von Stradivari-Reisen, die Maja Weber zu den Stradivari-Festen anbietet, zur Rigi-Matinée auf Rigi Scheidegg mit Tangomusik, zeigte sich am Samstagabend das Wetter zur Serenade am See herrlich klar und fast windstill. Mit Blick auf See und Pilatus erlebten die Zuhörer auf der restlos ausverkauften Seebühne Gersau meisterhaft interpretierte Kammermusik in traumhafter Kulisse. Felix Mendelssohn- Bartholdy war oft in der Schweiz, sicher hätte er sein Quartett a-Moll op. 13 gerne in dieser Landschaft und in dieser Besetzung gehört. Denn das Stradivari- Quartett spürte den kompositorischen Höhenflügen des jungen Felix mit leidenschaftlicher Begeisterung nach und traf die Wechsel zwischen romantischer Schwärmerei und krasser Emotionalität meisterhaft.


Schuberts Musik in all ihren Facetten


Zum unvergesslichen Höhepunkt wurde das Oktett F-Dur von Franz Schubert. Zum Stradivari-Quartett kamen nun Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass. Im Hintergrund der acht Musiker mischte sich ein leuchtender Abendhimmel über dem Pilatus in die vielfältigen Klangfarben. Die Balance zwischen Streichern und Bläsern war hervorragend, der weiche Klang der Klarinette (Annelien Van Wauwe) verschmolz zauberhaft mit den Violinen, und der volltönende Kontrabass von Josef Gilgenreiner gab orchestralen Grund. Wie sich Fagott (klangschön Sung Kwon You) und das subtil gespielte Horn (Maciej Baranowski) mit Bratsche und Cello vereinten, wie Schubert in all seinen Facetten zum Klingen gebracht wurde: Immer spürte man die Hingabe und die Freude des gemeinsamen Musizierens in jedem Ton. Das Adagio lebte von innigen, höchst organischen Verbindungen, und die Soli in den Variationen wurden einander zugespielt, als würden sie im Moment erfunden. Nach dem gesanglichen Menuett steigerte sich der Finalsatz mit dazu passenden Windböen in überaus rasantem Tempo zum fantastischen Schluss.


Bote der Urschweiz / LZ / Gerda Neunhoeffer

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

30.07.2018

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