Luftbild der Ausgrabung in Immensee: 2020 wurde hier die erste Innerschwyzer Pfahlbausiedlung entdeckt. Sie nahm ihren Anfang 4300 vor Christus und endete um 800 vor Christus mit der Bronzezeit. Bild: PD
Luftbild der Ausgrabung in Immensee: 2020 wurde hier die erste Innerschwyzer Pfahlbausiedlung entdeckt. Sie nahm ihren Anfang 4300 vor Christus und endete um 800 vor Christus mit der Bronzezeit. Bild: PD

Dies & Das

Beilprodukte aus Gotthardstein

Ein Jahr nach Grabungsbeginn der Pfahlbausiedlung in Immensee liegen erste Erkenntnisse vor.

«Es wird mehr kommen», kündigte Niels Bleicher von der Unterwasserarchäologie Zürich an. Er zog am Mittwochabend nicht nur eine erste Bilanz über die Grabungsarbeiten zu den prähistorischen Pfahlbauten in Immensee, sondern machte auch klar, dass die Forschung über die Funde erst jetzt so richtig beginnt. Was gefunden wurde, lässt trotzdem schon aufhorchen. Die Grabung, welche zusammen mit dem Schwyzer Amt für Kultur durchgeführt wurde, gibt Einblick in das Leben und die Verbindungen, welche damals zwischen den einzelnen Pfahlbausiedlungen vorhanden waren. Bisher waren Ausgrabungen bekannt, wo hauptsächlich Werkzeuge wie Beile und Messer gefunden wurden, die als Fertigprodukte im Einsatz waren. «Dank Immensee wissen wir nun, wie die Distribution gemacht und organisiert wurde», so Bleicher zur Bedeutung der Pfahlbauersiedlung am Zugersee. Immensee war nämlich nichts anderes als eine Portage, ein Warenumschlagplatz, zwischen zwei grossen Wasserwegen, wo aus Steinen Halbfabrikate gefertigt wurden. Diese konnten über den Zugersee entweder via Lorze und Reuss bis zum Bodensee oder via Hirzel und Zürichsee zu den Abnehmern geschickt werden.

Grüne Steine aus dem Gotthardmassiv bei Andermatt


Die Steine für die Immenseer Beil-Halbfabrikate stammten aus dem Gotthardgebiet. Wahrscheinlich nahe bei Andermatt wurde das Material für die künftigen Beilklingen – grüne Steine – vermutlich in ausgehöhlten Baumstämmen via Hohle Gasse nach Immensee gebracht. «Durch diese Hohle Gasse muss er kommen, der grüne Stein», hält denn auch Ralf Jacober vom Staatsarchiv Schwyz fest. Die Hohle Gasse spielte also nicht nur in der Gründungslegende der alten Eidgenossenschaft, sondern schon vor 5000 Jahren eine wichtige Rolle für das Leben in der Immenseer Siedlung. Ob diese dauerhaft oder nur saisonal belebt war, ist noch nicht klar und wird nun erforscht. In Immensee konnten aber noch weitere interessante Funde und Feststellungen gemacht werden.

— Der Zugersee reichte damals wohl bis zum heutigen Dorfplatz. In vier Schichten wurden neben Keramik, Asche, Messern und Beilen auch organischer Material – wie etwa ein 5000 Jahre altes Blatt einer Stechpalme – gefunden.

— Des Weiteren fand man grosse Mengen an Fischschuppen. Die Immenseer Pfahlbauer jagten im Zugersee Balchen, die dort im November an die Oberfläche kamen. Ob sie die Fische vor Ort assen oder ob die Fische nur vor Ort gefangen und haltbar gemacht wurden, um sie zu einer anderen Siedlung zu bringen, ist ein weiteres Geheimnis, das noch genau untersucht werden soll.

— Interessant sind auch die auf einer Linie liegenden Lehmklumpen, die in der untersten Schicht gefunden wurden. Es handelt sich um eine Art «Herdplatten », die etwa alle vier Jahre ersetzt werden mussten und jeweils selber vom «Wohnraum» im Pfahlhaus auf den darunterliegenden Grund entsorgt wurden. Die Lehmklumpen zeigen die Menge und die Anordnung der Bauten. Bleicher geht davon aus, dass es in Immensee zehn, höchstens 15 Gebäude gewesen sein dürften. «Die Grabung in Immensee ist in vieler Hinsicht ein Knotenpunkt, der viele andere Fäden zusammenbringt», sagt Bleicher. Die Siedlung schliesst Lücken und zeigt Zusammenhänge auf. Bisher fand man in Grabungen Steine von anderen Regionen, beispielsweise Frankreich oder Süditalien. Stein aus den Südwestalpen gelangte bis nach Schottland. Nun weiss man besser, wie die Distribution organisiert war. Die Fundstücke werden nun im Küssnachter Heimatmuseum und später im Bethlehem Immensee und im Bundesbriefmuseum präsentiert.

Bote der Urschweiz / Jürg Auf der Maur

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Bote der Urschweiz

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Publiziert am

17.09.2021

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