Herzog Leopold und sein Hofnarr Kueny geniessen die Schlachtplatte in Zug.
Herzog Leopold und sein Hofnarr Kueny geniessen die Schlachtplatte in Zug.
Erdige Tarnung der Schwyzer, die mit Gebrüll in den Kampf ziehen.
Erdige Tarnung der Schwyzer, die mit Gebrüll in den Kampf ziehen.
Die Narrengruppe mischt die Geschichtsschreibung neu auf. Bilder Keystone
Die Narrengruppe mischt die Geschichtsschreibung neu auf. Bilder Keystone

Bühne

Kampf der Chöre statt blutiger Schlacht

Standing Ovation für die Uraufführung: Das Freilichtspiel unter dem verhüllten Morgarten-Denkmal ist kurzweilig und unterhaltsam. Ein gelungenes Spektakel.

Man konnte es sich einfach nicht vorstellen, was da am Morgarten gezeigt werden soll. Geschichtsunterricht? Die Schlacht? Viel Pathos? Es ist zum Glück all das nicht. Das Publikum wird in einem fast zweistündigen Spiel um den Mythos Morgarten bestens unterhalten. Das Spiel steigert sich bis zum finalen Kampf der Chöre: Ein Schwyzer Chor singt gegen einen Zuger Chor an.

Sticheleien zwischen den Kantonen

Zum Auftakt singt oben am Hang unter dem verhüllten Denkmal ein Jodelchörli auf. Klein scheint es in diesem weitläufigenGelände. Dafür gibt es vomPublikum einen ersten Applaus. So volkstümlich, wie er beginnt, geht der Abend nicht weiter. Erste Lacher erntet der Hinweis, dass das Denkmal 1908 aufgestellt worden sei – auf der Zuger Seite. Die Sticheleien zwischen den beiden Kantonen ziehen sich durch das ganze Stück und kommen beim Publikum bestens an. Autor Paul Steinmann hat pointierte Dialoge geschrieben, und Regisseurin Annette Windlin hat diese mit den 88 Schauspielerinnen und Schauspielern bestens auf die verschiedenen Ebenen der Holzbretter der Freilichtbühne gebracht.

Das Archiv als Schatzkiste

Auch inhaltlich wird mit verschiedenen Ebenen gespielt. Da ist einmal die Narrengruppe um Kueny, Herzog Leopolds Hofnarr. Die zeitreisende Gruppe ist auf der Bühne dauerpräsent. So kann Kueny heute dem Publikum verkünden, dass er damals dem Herzog sagte: «Poldi, pass uf. Das sind Bsunderi, die Schwyzer.» Narr Kueny, Simplicius Simplicissimus, Till Eulenspiegel und Co. sind gekommen, um 700 Jahre Geschichte auszumisten. Eine der herrlichsten Szenen des Stückes zeigt, wie die Narren nach den Zetteln haschen, die aus der Tiefe des golden erleuchteten Geschichtsarchivs in die Luft fliegen, als wäre es Geld in einem Gewinnspiel und das Archiv die Schatzkiste. Aber so sehr sich die Narren auch bemühen, schriftlich finden sie nichts über die Schlacht am Morgarten. Kueny kann sich zwar noch an den Vorabend in Zug erinnern, an das Gelage in der Beiz. Doch der Rest ist weg.

Zwei Geschichten parallel

Der aktuelle Strang des Spiels zeigt ein Organisationskomitee, das eine gute Idee für das Jubiläum 2015 finden soll. Umgesetzt wird die Idee des neuen Morgartenliedes. Jener in der Vergangenheit zeigt Landammann Stauffacher und seine Männer, die sich überlegen, wie sie nach dem Überfall aufs Kloster Einsiedeln auf den Habsburger-Fürst Leopold reagieren sollen. Auch Leopold und Entourage treten auf. Beim Halt in Zug werden Schlachtplatten – mit echten Schweinsköpfen – und zum Dessert reizende Damen serviert.

Ein lebendiges Schlachtgemälde

Das alles ist dramaturgisch geschickt gemacht. Nach dreiviertel Stunden Spiel kommt es zur ersten tollen Massenszene. Sie zeigt das Durcheinander der Fasnacht auf. Alles torkelt, wirbelt durcheinander. Da kann das Publikum schwelgen in der Farbenpracht der Kostüme. Das Spektakel steigert sich bis zum Duell der zwei Chöre, das nun zum Kampf wird, zur Schlacht. Denn jetzt trifft sich die Gegenwart mit der Vergangenheit. Die Habsburger kommen von der Zugerseite her, die wendigen Schwyzer kleben am Hang. Der nun dank Projektion schwimmt in Rot und Weiss. Ist es Blut, ist es Schweizerkreuz? Fiel da ein Baumstamm? Das lebendige Schlachtgemälde ist eine Wucht.

Verdiente Standing Ovation

Auf so bezaubernde Art lässt man sich den Mythos Morgarten gerne servieren. Der Schlussapplaus ist lang anhaltend mit Standing Ovation. Das haben alle verdient. Die Laiendarsteller, die den steilen Hang hoch- und runterklettern und neben dem Spielen auch konditionell Höchstleistung zeigen, und die Chöre für ihre Stimmgewalt. Wunderschön auch die Musik der Komponisten Hansjörg Römer, Stefan Jimmy Muff und Dani Häusler und die Kostüme, kreiert von Ruth Mächler. Das Spiel kommt mit Leichtigkeit daher, die Szenen laufen wunderbar ineinander. Da lässt sich nur erahnen, welch immense Arbeit das Produktionsteam im Vorfeld dafür leisten musste.

Bote der Urschweiz (Silvia Camenzind)

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

10.08.2015

Webcode

www.schwyzkultur.ch/MGpEdU